Macabros 026: Elixier der Verdammnis
dem, was sie wußten und vermuteten, bildeten die beiden
Männer sich ihre Meinung.
Lautlos wie zwei Schatten huschten sie an den Hauswänden
entlang. Sie schimmerten matt, bestanden aus irgendeiner Art
unbekanntem, geschliffenem Stein. Auch die himmelhoch ragenden
Spiraltürme.
Björn und Arson erreichten in der wie ausgestorben
daliegenden Stadt eine Straßenecke. Zwei Rundbauten, flach und
riesig, waren durch eine mannshohe Mauer, die mit einem
efeuähnlichen Gewächs umrankt war, miteinander verbunden.
Das Blattwerk war so dicht, daß es unmöglich war, einen
Blick in den dahinter liegenden Garten zu werfen.
Fremdartige, schwere Düfte lagen über diesem Teil der
Straße – und aus dem Garten hinter der Mauer und dem Efeu
stiegen kaum sichtbare Dämpfe, die sich mit der Nachtluft
vermischten.
War dies das Haus eines Magiers oder Priesters? Hauste dort ein
Dämon, der sich unter die Menschen dieser Stadt gemischt
hatte?
Die Gelegenheit, etwas zu erfahren, war gekommen.
Björn und Arson sahen sich an. »Ich werde gehen«,
sagte da der Mann mit der Silberhaut, an der Wand entlanggehend und
sich dem schweren Gittertor nähernd, das ebenfalls mit dichtem
Efeu bewachsen war.
Aber hier konnte man hochklettern und einen Blick in den
rätselhaften, zugewachsenen Garten werfen.
»Warum etwas riskieren, wenn es einfacher geht?«
murmelte Björn da. Er hielt Arson zurück. »Wenn jemand
an zwei Orten gleichzeitig sein kann, dann sollte er das in dem
Augenblick ausnutzen, wo es am wichtigsten ist.«
Ein Gedanke genügte. Björn fühlte sich frisch und
ausgeruht, es bedurfte in diesen Fällen keiner besonderen
Kraftanstrengung und Konzentration.
Sein Zweitkörper, aus feinstofflicher Substanz bestehend,
entwickelte sich rund hundert Meter weiter. So tauchte mitten in der
Dunkelheit des fremden Gartens ein zweiter Hellmark auf.
Das war Macabros.
*
Beide Körper – der aus Fleisch und Blut und der
feinstoffliche Ätherkörper – waren gleichzeitig
ansprechbar, lebendig und voll aktiv.
Das sogenannte »Majavi-Rupa« war erreicht. Dieser
Zustand war nicht die Regel, sondern die Ausnahme und zeugte in
diesem Augenblick von der besonders guten Konstitution Hellmarks. In
den meisten Fällen war es so, daß der eine Körper
schwächer wurde, je stärker der andere materialisierte.
Was Macabros in diesen Sekunden sah und hörte –
empfingen auch Hellmarks wache Sinne, und er teilte es mit leiser
Stimme seinem Begleiter mit.
Macabros stand im Schatten eines riesigen, mit
handtellergroßen, muschelförmigen Blüten
übersäten Baumes, dessen Krone sich wie ein Schirm
über ihn spannte.
Was die Augen von Hellmarks Zweitkörper hier wahrnahmen,
irritierte ihn.
In dieser sauberen, gepflegten und ruhigen Stadt hätte er das
nicht erwartet.
Nur wenige Schritte von ihm entfernt, mitten in dem riesigen Park
zwischen den beiden Rundbauten, gab es eine uralte Ruine, die faulig
roch und deren feuchte Mauern von einem grauen Schimmelpilz
überwachsen war.
Das Gebäude war eckig, Löcher und Risse im Mauerwerk
waren tief.
Ein Mann, in kniender Haltung hatte eine Art
blumengeschmückten Altar vor einer muffigen Ruine errichtet.
Zwischen den Blüten auf dem kleinen Altar stand eine flache,
goldfarbig schimmernde Schale, von der aus geheimnisvolle, streng
riechende Dämpfe emporstiegen und sich in der Luft
auflösten, kaum daß sie die Höhe der umrankten Mauer
erreicht hatten.
Macabros verließ seinen Beobachtungsort.
Er nahm noch mehr wahr.
Hinter dem Knienden, der in ein ähnliches Gewand gehüllt
war wie Hellmark und Arson erstreckte sich eine leicht ansteigende
Terrasse. Die gläsernen Türen waren weit
zurückgeschoben, und in der Dunkelheit des sich dahinter
anschließenden Zimmers registrierte Macabros Bewegung.
Dort standen viele Menschen, als beobachteten sie einen wichtigen,
aber verbotenen Vorgang.
Über die Lippen des Knienden kamen leise,
unverständliche Laute. Das flackernde Feuer in der Schale schien
sich plötzlich aufzublähen, hüllte für den
Bruchteil eines Atemzugs wie ein Blitz den gesamten Altar ein –
und der Widerschein spiegelte sich auf dem brüchigen
Mauerwerk.
Macabros’ Sinne waren ganz auf das Geschehen, nur eine
Steinwurfweite von ihm entfernt, ausgerichtet.
Auch Hellmark war reine, gespannte Aufmerksamkeit, lehnte an der
hohen Mauer und teilte Arson wispernd seine Wahrnehmungen mit.
Sie waren so sehr beansprucht, daß sie die Gefahr nicht
erkannten.
In der Dunkelheit hinter
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