Macabros 029: Marabur - Herr der Wahnsinnshallen
waren mit Hand
dunkelviolette Kreise und Flecke gezogen, waren diverse Stellen
schraffiert.
»Was bedeutet das?« wollte er wissen.
»Es sind unerforschte Teilgebiete der Insel, die seit eh und
je von einem Schleier des Geheimnisses Umgeben sind. In alten
Schriften früherer Generationen wird betont, daß es
niemals möglich sein wird, die Kräfte, die Xantilon zu
einer Insel der Götter machten, in den Griff zu bekommen. Dies
ist eine uralte Karte, und sie hat noch heute Gültigkeit, auch
wenn das Land besiedelt wurde und wir eine phantastische Technik
entwickelten, die wir wieder vergaßen. Ist es normal, daß
man Kenntnisse, die in Jahrtausenden und Jahrhunderten gewonnen
wurden, in wenigen Jahrzehnten, Jahren, ja sogar in Monaten vergessen
kann? Xantilon beweist, daß die Götter nicht zu
überlisten sind, daß die Stunde der alten Kämpfe
wieder anbricht, daß die Geheimnisse und Rätsel wieder so
neu sind wie damals. Geburt und Untergang einer Welt – ist es
nicht ein Zusammenhang, Kaphoon? Sagt man nicht auch, daß ein
Mensch in der Stunde seines Todes noch mal den Augenblick seiner
Geburt und alle wichtigen Stationen und Erlebnisse seines Daseins
durchlebt? Warum sollte ein Kontinent, auf dem Götter geboren
wurden, eine Ausnahme machen?«
»Ich weiß zu wenig über Xantilon, um mitsprechen
zu können, Velena.«
»Und doch bist du ein Kind dieses Landes?« Wieder ihr
scheuer, analysierender Blick.
»Ja. Wenn Xantilon die Wiege der Götter war – warum
lassen diese Götter ihr Land jetzt im Stich?«
»Sie lassen ihr Land nicht im Stich, Kaphoon. Sie können
nicht handeln, weil ihre Stunde noch nicht gekommen ist, weil List
und Intrige aus der eigenen eine verworrene Situation geschaffen
haben. So jedenfalls glauben wir. Wir sind nur Sterbliche, unser
Blickfeld ist beschränkt. Wer versteht schon die
Götter?«
Wenig später, als sie in die Dämmerung hineinritten,
meinte sie, sich auf die alte Karte beziehend: »Wir müssen
jetzt diesen Punkt der Wüste erreicht haben!« Damit deutete
sie auf eine violette Linie, die kerzengerade über das
Wüstengebiet führte. Sie erläuterte Symbole, und
Björn verstand, daß die pyramidenförmigen Zeichen auf
einige besonders ausgedehnte Dünen hinwiesen, die unmittelbar
vor Maruburs Reich in gehäuftem Maß auftraten.
Die Wüste entwickelte sich hinter dem schwarzviolett
schraffierten Gebiet zu einer geschützten Bucht, wo das endlose
Meer begann, das als »Unendlicher Ozean« bezeichnet
wurde.
Hellmark zeigte sich verwundert über die Ausdehnung von
Maruburs Reich. Es lag zwischen Bucht und Wüste und sollte ein
blühender Garten, eine Oase sein. Aber eine verführerische,
teuflische Oase. Es hatte lange gedauert, ehe man überhaupt
erfuhr, was es mit diesem Garten auf sich hatte. Die Menschen
verschwanden einfach, und die Nachforschungen verliefen im Sand.
Maruburs Reich war genau umrissen. Es hatte die Ausdehnung eines
kleinen selbständigen Landes.
Sorgfältig rollte Velena das Papier wieder zusammen und
steckte es wie eine Kostbarkeit in den hohlen Griff ihres
Schwertes.
»Merkwürdig, wie sich die Dinge wiederholen«,
meinte das Mädchen. »Eine Karte, viele tausend Jahre alt,
gewinnt plötzlich an Bedeutung. Die Welt hat ihr Gesicht
verändert – und doch sind die alten Orte vorhanden, und die
Dinge, die zahllose Generationen vor uns beschäftigten, werden
mit einem Mal wichtig für uns. Die alten Kräfte werden
wirksam, und Dinge, die man längst besiegt und überwunden
glaubte, kehren wieder. Die Welt der geheimnisvollen Magier, der
Fabelwesen, Feen, Götter und Dämonen ist am Erwachen.
Unsere eigene Vergangenheit holt uns ein.«
Noch eine ganze Zeit drehte sich ihr Gespräch um die
wechselvolle, farbige Geschichte dieses von den Göttern
bevorzugten Landes, und Velena zeigte, daß sie sich Gedanken
über die Dinge und Geschehnisse machte, die von
größter Wichtigkeit für sie alle werden konnten. Nur
wenn man die veränderte Reich, das nie auf dieser Welt geleugnet
worden war, die Umwelt und die Natur begriff, und wenn man anfing,
die augenblicklichen Geschehnisse im Zusammenhang mit ihnen zu sehen,
hatten die Bedrohten vielleicht eine Chance, dem Chaos zu entfliehen,
das dieser Welt prophezeit worden war. Die Natur der Menschen hatte
sich hier schlagartig geändert, und das bewies, daß
spontane und umfassende Veränderungen auch blitzschnelle
Veränderungen von Geist und Seele hervorriefen, daß die so
Geforderten Kräfte und Talente
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