Macabros 029: Marabur - Herr der Wahnsinnshallen
Sie vor.«
»Danke, Misses…«
»Nicht mehr diesen Namen. Borowsky. Sagen Sie Eve zu mir. Ich
glaube, diesmal bin ich geheilt.«
Sie legte kurzentschlossen auf, noch ehe Jan Borowsky eine
Bemerkung machen konnte.
Eve Sanders schenkte sich noch mal ein, und auch noch ein drittes
Mal.
Ihr Gesicht war starr wie eine Maske.
Sie ging im Zimmer auf und ab wie ein gefangenes Tier im
Käfig.
Plötzlich zuckten ihre Lippen. Sie nahm das Glas und warf es
gegen die Wand; der Sherry-Rest verspritzte dort und hinterließ
häßliche Flecken. Eve Sanders wälzte sich auf dem
breiten Bett, über dem ein großer Spiegel an der Decke
befestigt war. Ein Schluchzen schüttelte ihren Körper. Mit
ihren Fäusten trommelte sie auf die Matratze, bis ihre
Hände schmerzten, und immer wieder rief sie: »Ich werde
dich vernichten, Gil. Ich weiß noch nicht wie, aber lange wirst
du nicht mehr leben!«
*
Laertes Hand sank herab.
Der Wüstenvampir löste sein breites,
zähnefletschendes Maul von der Schulter und dem Hals des jungen
Mädchens.
Laerte verspürte keinen Schmerz mehr. Wie versteinert
saß sie auf dem Hügel, und die seltsame Verwandlung ging
blitzschnell vor sich.
Ihre Haut wurde trocken und spröde und wirkte für einige
Augenblicke beinahe durchsichtig. Sie wurde fahl, dann beigebraun.
Ihr Kopf wurde vollkommen glatt. Das schimmernde Haar schrumpfte
zusammen, die Augenbrauen verschwanden. Ihr ganzer Körper hatte
mit einem Mal die Farbe des Wüstensandes. Breit und groß
und hervorstehend wurden ihre Zähne, und der sanfte Blick der
Augen verwandelte sich in eisiges Stieren. Rund wie
Ping-Pong-Bälle wirkten die Augäpfel in ihren Höhlen.
Die Pupillen waren groß wie Stecknadelköpfe.
Ein breites, böses Grinsen verunstaltete das klobige, glatte
Gesicht Laertes, die keinerlei Ähnlichkeit mehr mit sich
hatte.
Sie war zu einem Wüstenvampir geworden!
Langsam, wie von unsichtbarer Hand in die Höhe gezogen, erhob
sie sich.
Wie ein Roboter kam sie den Hügel herab, näherte sich
dem Lager der Schlafenden. Während sie darauf zuging, kam es
erneut zu einer Umwandlung.
Laerte nahm ihre alte Gestalt wieder an. Leichtfüßig
bewegte sie sich über den Sand. Ihr Blick war etwas starrer, und
wer sie so sah, würde nicht vermuten, daß etwas nicht mit
ihr stimmte.
Nur eines unterschied sie von der zuvor lebenden Laerte: sie
atmete nicht mehr.
Doch das fiel nicht auf, wenn man nicht extra darauf achtete.
*
Sie blickte auf die Schläfer herab.
Yamissa lag ganz außen.
Laerte beugte sich zu ihr herab. Die weißblonde Frau aus
Xantilon atmete tief und ruhig.
Vorsichtig, mit den behutsamen Bewegungen einer Raubkatze,
näherte Laerte ihre Rechte dem Hals der schönen Frau und
schob langsam das seidig schimmernde Haar zurück, so daß
Nacken und Schulterpartie frei wurden.
Laerte beugte sich noch tiefer hinab. Ihr breites Gebiß
packte genau zwischen Nacken und Schulterpartie zu. Es knirschte
leise.
Yamissa zuckte zusammen, schlug die Augen auf und war sofort
hellwach. Sie riß den Mund auf und wollte schreien, da legte
sich eine zarte Hand auf ihren Mund.
»Nicht schreien, Yamissa! Es ist alles gut.«
»Laerte? Du?« Verwundert blickte sie die Freundin an,
mit der sie gemeinsam den beschwerlichen Marsch durch Wüste,
Berge und Steppe unternommen hatte. Mechanisch zuckte Yamissa Hand
zum Hals, wo sie einen brennenden Schmerz verspürte.
»Es hat mich etwas gestochen«, wisperte sie.
»Ich…«
»Deswegen bin ich hier«, warf Laerte schnell ein.
»Ein kleines Tier… Es ist über deinen Nacken gelaufen.
Ich fürchtete schon, es würde dich beißen. Aber dazu
ist es nicht gekommen. Ich habe es verscheucht.«
Yamissa tastete die Stelle ab. Sie fühlte sich kalt und
gefühllos an, und für den Bruchteil eines Augenblicks
schien es, als wolle sie doch noch mal eine Frage stellen. Doch dann
interessierte sie das alles nicht mehr, und der Glanz in ihren Augen
veränderte sich. Das andere, das Fremde ergriff von ihr Besitz
und sie wußte nichts mehr von ihrem Dasein als Mensch.
Geheimnisvolle Kräfte wurden in ihr wach. Sie starb,
während sie sich aufrichtete, und sie war doch nicht tot!
Sie war eine Untote und machte die gleiche schauderhafte
Verwandlung durch wie Laerte. Sie war erfüllt von abgrundtiefem
Haß gegenüber allem Menschlichen, allem, was lebte und was
anders war als sie.
Gleichzeitig machte sie eine neue Erfahrung. Die Erfahrung der
Wüstenvampire. Sie war verbunden mit dem Geist, der sie
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