Macabros 029: Marabur - Herr der Wahnsinnshallen
ersten Besuch hatte Dr. Larosh ihn in verschiedene
Abteilungen geführt und ihm die Kranken gezeigt, die er hatte
sehen wollen. Er hatte es sich nicht so schlimm vorgestellt. Man
mußte schon aus besonderem Holz geschnitzt sein, um hier Tag
für Tag zu arbeiten und Sanders bewunderte die Menschen, die
hier tätig waren und ihren schweren Beruf ausübten und
obendrein mit Idealismus bei der Sache waren. In mancher Fabrik
hätten sie mehr Geld verdient, aber darauf kam es den meisten
nicht an. Sie wußten: hier wurden sie gebraucht, hier konnten
Menschen etwas für Menschen tun.
Der Reporter kam in das Foyer. Links war ein großes
Aquarium, davor standen Tische, mehrere Sessel und Stühle.
Männer und Frauen saßen herum, sahen den Fischen zu,
blätterten in Zeitschriften und blickten den fremden Besucher
an. Von einigen wurde sein Gruß erwidert. Andere blickten ihn
nur stupide an.
Unten im Parterre war das Büro und die Schwesternzimmer,
darunter lag die Küche mit ihren Nebenräumen.
Im Sanatorium war Sauberkeit erstes Gebot. Es roch frisch, das
Personal lief in blütenweißer Kleidung herum. Es eine
ruhig zu. Kein lautes Geräusch störte.
Schon als Außenstehender bekam man sofort den besten
Eindruck von diesem Haus. Larosh tat das Menschenmögliche
für die Leute, die ihm anvertraut waren. Nicht von jeder
privaten Heimstätte konnte man das sagen, und Gil Sanders nahm
sich vor, diesen Eindruck in seinem Artikel auf alle Fälle
lobend herauszustellen.
Larosh Büro befand sich in der ersten Etage, wo auch die
Untersuchungsräume lagen.
Fünf Minuten später stand Gil Sanders dem Arzt
gegenüber.
Larosh war Mitte vierzig, trug einen gepflegten schwarzen Vollbart
und hatte dunkle, angenehme Augen. Dieser Mann war dem Reporter auf
den ersten Blick sympathisch. Gil Sanders redete nicht lange um den
heißen Brei herum, und sagte, weshalb er gekommen war, was ihm
vorschwebte und was ihn bedrückte.
Larosh lachte leise. »Nun, dann muß ich Sie wohl zuerst
beruhigen, Mister Sanders. Nein, eine Geisteskrankheit, die
ansteckend ist, vor der brauchen Sie sich hier nicht zu
fürchten. Solche Formen gibt es zwar, aber damit befassen wir
uns hier nicht. Sie brauchen also keine Angst zu haben. – Ihr
spezieller Freund, Mister Ellis, fühlt sich wohl. Sein Zustand
hat sich nicht verschlechtert – aber auch nicht gebessert.«
Der Arzt erhob sich und trat ans Fenster. Von hier aus hatte er einen
Blick über die Gärten und einen Teil des Parks. »Mark
Ellis – ich habe ihr vor ein paar Minuten noch draußen
herumlaufen sehen – ah, da vorn, an der Eiche – da ist er
ja.«
Sanders folgte mit dem Blick der ausgestreckten Hand des
Heimleiters.
Mark Ellis stand gedankenverloren vor dem uralten Baum und
ließ seine großen starken Hände über die
dunkle, scharf hervortretende Rinde gleiten. Er machte dabei ein
selbstvergessenes Gesicht und schien mit seinen Gedanken in
unendlicher Ferne. Er hatte blaugraue Augen, eine kühne Nase und
ein kräftiges Gesicht. Noch war es gebräunt von dem
langjährigen Aufenthalt unter freiem Himmel.
Ruhelos wie ein Zigeuner war er durch die Welt getrampt. Es gab
kein Land, das er nicht gesehen hätte. Zehn Jahre seines Lebens
war er auf den verschiedensten Schiffen zur See gefahren. Dabei
bevorzugte er die Inselwelten Mikronesiens, Polynesiens und der
ganzen Südsee.
Im ersten Gespräch, das Sanders mit dem Abenteurer
führte, hatte er erfahren, daß Mark Ellis sich zuletzt im
tahitinahen Raum, auf einer Insel namens Apataki, aufgehalten
hatte.
Dort war er auch auf einem französischen Handelsschiff namens
»Liberte« angeheuert worden. Und auf der
»Liberte« war es geschehen. Er tobte wie von Sinnen, schlug
alles kurz und klein, und sechs Mann hatten ihre liebe Not, ihn unter
Kontrolle zu bringen.
Das Schiff, auf dem Weg nach Amerika, lief den New Yorker Hafen
an, und der Kapitän lieferte den Kranken ab. Er kam zu Dr.
Larosh, der ihn behandelte und schon bald feststellte, daß er
hier einen besonderen Fall von Irrsinn hatte. Das mußte er auch
jetzt wieder bestätigen.
»Er ist meinen Leuten und mir nach wie vor ein
Rätsel«, erklärte er. »Er spricht auf keine
Medikamente an. Wenn er zu toben anfängt, müssen wir ihn
einsperren und toben lassen. Vor drei Wochen hatte er wieder einen
solchen Unfall.«
»Und da lassen Sie ihn frei herumlaufen. Doc?« fragte
Sanders verwundert.
Larosh deutete auf einen Pfleger, der auf einer Bank saß,
dort scheinbar intensiv in einem Magazin
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