Macabros 033: Flucht in den Geistersumpf
Hellmark wußte sofort, daß
er diesen Raum mit Macabros’ Augen schon mal gesehen hatte!
Er tastete die Spiegel ab. Sie waren kristallklar, und einer war
wie der andere.
»Suchen Sie etwas Bestimmtes?« hörte er Lorettes
Stimme hinter sich.
War sie wirklich so ahnungslos oder tat sie nur so?
Einer dieser Spiegel war wie der Kiuna Macgullyghoshs – war
ein Hexenspiegel, hinter dem eine andere Welt begann. Die Welt hinter
dem Spiegel war ein besonderes Reich. Stukmans Liebe zu den Spiegeln
mußte seinen besonderen Grund haben.
Hellmark ging von einem Spiegel zum anderen und ertappte sich
dabei, daß er wieder anfing, Lorette Massieu Fragen zu stellen.
Aber es kam nicht viel dabei heraus. Der Eindruck, den er nach der
ersten ausführlichen Besprechung mit der Fremden gehabt hatte,
verstärkte sich nur noch. Lorette Massieu erwartete von ihm eine
Lösung ihrer Probleme, die er erst in Umrissen erkannte!
Was für eine Situation!
Hellmark war gekommen, um Hinweise über Carminias Schicksal
zu erhalten, und stieß auf eine Frau, die sich ebenfalls in
Bedrängnis befand, die in irgendeiner Form abhängig
geworden war, manipuliert wurde – und in Wirklichkeit doch nicht
genau zu wissen schien, was eigentlich um sie herum vorging.
»Was suchen Sie eigentlich, Herr Hellmark?«
»Einen Ausgang aus diesem Zimmer«, murmelte Björn
ernst.
»Der ist dort!« Damit wies sie zur Tür, durch die
sie beide eben gekommen waren.
»Den meine ich nicht. Es muß noch einen Ausgang
geben.«
»Davon weiß ich nichts!«
»Carminia Brado war hier, ich weiß es genau… aber
die Spiegel sind massiv…« Er klopfte sie ab.
»Wie sollten sie sonst sein?«
Er wollte ihr etwas von jener geheimnisvollen Welt hinter gewissen
Spiegeln berichten, doch er kam nicht mehr dazu.
Ein leises, klapperndes Geräusch vor der Wohnungstür
ließ sie herumfahren.
Schlüssel!
»Tony!« entfuhr es Lorette Massieu erschrocken, und sie
riß ihre Rechte an die Lippen. »Mein Gott! Ich habe ihn
ganz vergessen. Was machen wir jetzt? Er darf Sie auf keinen Fall
hier finden! Er wird mich umbringen.«
»Scheint ja ein ganz Wilder zu sein, Ihr Tony.«
»Er hat es mir strengstens untersagt, während seiner
Abwesenheit jemand in die Wohnung zu lassen.«
»Auf der einen Seite kann ich das verstehen. Er hat Angst,
daß Sie kurzerhand jemand mitnimmt.«
»Hier in der Wohnung können Sie auf keinen Fall bleiben.
Tony hat die Angewohnheit durch sämtliche Räume zu
marschieren.« Ihr Blick fiel auf eines der Fenster.
Björn folgte ihrem Blick und begriff, was in ihr vorging. Vor
dem Fenster lief ein schmaler Sims rund um das Haus.
»Verstehe schon«, zischte Hellmark. Nur acht Meter
entfernt wurde im gleichen Augenblick die Wohnungstür
geöffnet.
Geistesgegenwärtig griff Björn noch nach seinem
halbgefüllten Glas. »Das nehm’ ich mit zur
Nervenstärkung.«
Mit drei schnellen Schritten war er am Fenster, zog es auf,
schwang sich auf die Fensterbank und stieg nach draußen.
Einen Schritt nach links – und er stand vor der Hauswand mit
Blick nach unten. Schwindelnde Tiefe… Passanten… Autos, die
vorbeifuhren… Kein Mensch blickte nach oben…
Hellmark preßte sich hart an die Wand in seinem Rücken.
Etwa zehn Meter von ihm entfernt befand sich das Hausende. Von dort
aus hätte er unter Umständen sogar vier Stockwerke tiefer
klettern können. Die Zweige und Äste des einen
Kastanienbaums ragten so weit zum Haus herüber, daß man
kein Tarzan zu sein brauchte, um sich hinüber zu schwingen.
Aber um dorthin zu kommen, mußte er an drei hohen Fenstern
vorbei, die alle zu Tony Stukmans Wohnung gehörten. Dem
wäre sicher nicht entgangen, wenn draußen in der vierten
Etage jemand an drei Fenstern vorüberkam. Und damit wurde das
Mögliche schon wieder unmöglich.
Noch war das Fenster geöffnet. Lorette Massieu streckte den
Kopf ins Freie und blickte nach unten auf die Straße.
»Hallo, Darling!« erklang es da hinter ihr aus der
Wohnung.
Lorette warf den Kopf herum.
»Tony!« rief sie erfreut, und Björn stellte fest,
daß sie doch eine sehr gute Schauspielerin war. Sie
drückte das Fenster zu und sicherte es von innen, ohne ihm noch
einen Blick zu gönnen. »Ich habe dich gar nicht kommen
hören!« vernahm er gleich darauf ihre gedämpfte
Stimme.
Er riskierte es, den Kopf ein wenig nach vorn zu schieben und
über seine Schultern hinweg einen Blick durch das zugezogene
Fenster zu werfen.
Lorette Massieu lief dem Rennfahrer entgegen und warf
Weitere Kostenlose Bücher