Macabros 033: Flucht in den Geistersumpf
Ereignisse dieses
Tages Revue passieren. Zuviel war auf ihn eingestürmt, und er
konnte kaum die Dinge in das richtige Verhältnis zueinander zu
bringen.
Griever stachelte ihn an, und er erhob sich abrupt und
verließ den Platz im Speisesaal, daß ihm erstaunt einige
Hotelgäste nachblickten, wie er die Treppe emporeilte, weil er
sich nicht die Zeit nahm, auf den Lift zu warten.
Er holte seine Wagenschlüssel, zog sein Jackett über und
verließ das Zimmer wieder. Unten an der Rezeption hängte
er die Zimmerschlüssel an das Tableau, gab dem Portier Bescheid,
daß er heute vielleicht nicht mehr zurückkäme und bat
Nachrichten und Telefonanrufe für ihn entgegenzunehmen. Die
mysteriöse Andeutung des falschen Griever ließ ihm keine
Ruhe. Warum bis morgen mittag warten, wenn er sich schon jetzt die
Zeit nehmen konnte, mal nachzusehen, was für ein seltsamer
Antiquitätenladen das war, in dem ein gewisser Otto genau
wußte, wie man die Grenze vom Diesseits zum Jenseits
überschritt?
Er nahm die Stadtkarte aus dem Handschuhfach, suchte die
Sechsschimmelgasse und startete wenige Minuten später.
Er fädelte sich in den fließenden Verkehr ein.
Ernst und verschlossen saß Carel Unstett hinter dem Steuer.
Er näherte sich der Kreuzung, die er passieren mußte, um
in den Stadtteil zu gelangen, in dem die Sechsschimmelgasse lag.
Auf einem Parkstreifen rechts stand ein wartendes Taxi.
Gelangweilt blätterte der Chauffeur in einer zerknitterten
Zeitung.
Hinten im Fond lehnte ein Mann sich zurück, als der beige
Opel Rekord mit dem Salzburger Kennzeichen an ihnen vorüberfuhr.
Der Mann war klein und untersetzt und trug einen blaugrauen
Anzug.
»Es hätte mich auch gewundert, wenn er’s bis morgen
ausgehalten hätte«, murmelte er im Selbstgespräch vor
sich hin. »Nun, dann also los, mein Freund«, sagte er zu
dem Fahrer, der den Motor sofort zündete. »Wir wollen
dafür sorgen, daß Carel Unstett etwas erlebt, was er sein
ganzes Leben nicht mehr vergißt.«
*
Das luftige Versteck, das er sich notgedrungen auserkoren hatte,
behagte ihm immer weniger. Je mehr Zeit verging, desto
größer wurde die Wahrscheinlichkeit, daß doch einer
der Passanten auf ihn aufmerksam wurde, daß sich drunten auf
der Straße Schaulustige ansammelten und Stukman
schließlich nachschaute was es da Interessantes zu sehen
gab.
Mehr als einmal riskierte Hellmark einen Blick durch das
verhangene Fenster. Er sah Stukman mit Lorette Massieu am Tisch bei
einem Drink sitzen und sich angeregt unterhalten.
Was sie sprachen, konnte er nicht verstehen. Der
Straßenlärm, der zu ihm empordrang, war zu laut.
Dann erhob Stukman sich, ging im Zimmer auf und ab schaltete das
Radiogerät ein und suchte verschiedene Sender. Aber auch das
behagte ihm nicht. Der Rennfahrer kam durch das Zimmer direkt auf das
Fenster zu.
Unwillkürlich hielt Hellmark den Atem an.
Stukmans Schatten fiel gegen das Fenster. Der Engländer
öffnete es.
Björns Nerven waren zum Zerreißen gespannt.
Wenn Stukman sich jetzt nach draußen beugte, dann
mußte er Hellmark sehen. Nur eine Armlänge vom Fenster
entfernt stand der blonde Mann und harrte der Dinge, die da kommen
sollten.
»Ist das nicht ein herrlicher Tag heute, Lorette?«
vernahm er die markige Stimme des Engländers. »Strahlend
blauer Himmel… wenn so der ganze Sommer aussieht, dann verliert
man direkt die Lust an der Arbeit.«
Stukman legte beide Hände auf die innere Fensterbank, atmete
tief durch und beugte sich ein wenig nach vorn. Sein Gesicht befand
sich auf der Höhe der inneren Mauerkante.
»Wir könnten eigentlich ’rausfahren, findest du
nicht auch?« vernahm Hellmark da die Stimme der
Halbfranzösin. Lorette stand neben Tony Stukman, legte ihre Arme
um seinen Hals und schmiegte sich an ihn.
»Du weißt, daß das heute nicht geht«,
stieß der Engländer hervor. Er kam einen Schritt
näher.
Hellmark spannte seine Muskeln an. Die Hände Stukmans schoben
sich lautlos vor wie Schlangen, ragten über die Fensterbank
hinaus und berührten den Sims, auf dem er stand.
Die Sekunden, die vergingen, schienen dem Deutschen eine Ewigkeit
zu dauern.
Ursprünglich hatte er die Begegnung mit dem Rennfahrer
gesucht, doch sein Gespräch mit Lorette Massieu hatte seinen
Plan über den Haufen geworfen.
Er fürchtete weniger die Tatsache daß er nach einer
Entdeckung Stukmans Angriff abwehren müßte. Viel mehr
Sorgen machte er sich um die junge Frau, die peinliche Fragen
über sich danach ergehen lassen
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