Macabros 033: Flucht in den Geistersumpf
trotzdem!«
»Glauben Sie an Hellseher und Wahrsager?«
»Nicht an alle, an einige, ja.«
»Ich habe mit einer Wahrsagerin gesprochen. Vor etwa vier
Wochen. Stukman weiß nichts davon. Für mich war es
wichtig, zu erfahren, was die Zukunft bringt. Ich suche nach einem
Ausweg aus dem Dilemma, in das ich mich selbst manövriert habe.
Ich war begeistert von Stukman. Was für ein Mann! Er ist mutig,
tapfer und erfolgreich. Und er sieht nicht schlecht aus. Ich habe
kein Rennen versäumt, das er mitmachte. Ich habe die Lokale
besucht, in denen er verkehrte, und habe mich in den Hotels
einquartiert, in denen er abstieg. Ich bin ihm um die halbe Welt
nachgereist. Verrückt, werden sie denken. Aber so ist das nun
mal, wenn man jemand liebt – oder wenn man glaubt, daß es
Liebe ist. Ich tauchte überall dort auf, wo auch Stukman zu
finden war, und so war es nicht verwunderlich, daß es ihm mal
auffiel. Auffälliger als ich konnte sich schließlich
niemand benehmen. Er wurde stets von einem Schwarm junger
Mädchen umringt, und er hätte zehn an jedem Finger haben
können. Frauen aller Schattierungen, aller Nationalitäten.
Ich zog seine Aufmerksamkeit auf mich – und auf einmal stand ich
im Mittelpunkt seines Interesses. In einer Bar auf den Bahamas
tanzten wir den ersten Tanz, und wir tanzten danach die ganze Nacht
durch.
Er hatte – wie ich – Feuer gefangen! Wenn es Liebe auf
den ersten Blick gibt, hier hatte sie sich erfüllt.
Von Stund’ an waren wir Tag und Nacht zusammen. Es war
einfach schön. Wenn ich heute darüber nachdenke, glaube
ich, daß alles nur ein Traum gewesen ist – oder aber es
war doch Wirklichkeit und das, was jetzt geschieht ist ein Alptraum,
aus dem ich irgendwann wieder mal erwachen werde. – Aber davon
wollte ich Ihnen nichts erzählen. Um die Wahrsagerin handelte es
sich…
Ich ging hin mit der Bitte, mir schonungslos meine
Zukunftsaussichten zu nennen. Ich sprach kein Wort über mich,
gab ihr keine Hinweise – und doch war es erstaunlich, wieviel
Details über mein Leben, über meine Herkunft und meine
Vergangenheit diese Frau zu nennen wußte. Sie sagte mir auf den
Kopf zu, daß ich mich in größten Schwierigkeiten
befände, daß sogar mein Leben bedroht sei. Es sei keine
natürliche Gefahr… sie käme von irgendwoher, was sie
nicht bezeichnen könne. Ein Mann hätte damit zu tun
Einflüsse aus einer anderen, furchtbaren Welt spielten eine
große Rolle. In Wirklichkeit wäre ich gar nicht mehr frei,
sondern eine Gefangene… die Gefahr, in der ich mich
befände, sei nicht einfach und mit normalen Mitteln zu
bewältigen. Aber eine Lösung gäbe es. Sie
erwähnte den Besuch eines Fremden, eines Mannes, den ich nie
zuvor gesehen hätte. Diese Begegnung würde unmittelbar vor
einem großen festlichen Abend stattfinden. Ich sollte die Tage
vor diesem Abend gründlich beobachten und die Menschen genau
ansehen, mit denen ich zusammenkäme. Der Fremde, dem ich
begegnen würde, sei mir auf den ersten Blick
sympathisch…
Ich bin seit dem Besuch bei jener prominenten Wahrsagerin
niemandem begegnet, auf den dies zugetroffen hätte. Bis vorhin,
als Sie vor mir standen. Da war es plötzlich da, dieses
Gefühl des Vertrauens, der Geborgenheit. Sie, ein Fremder, bei
dem das Gefühl aufkam, er sei ein Freund, ein Beschützer.
Wie eine Flut brach plötzlich ein Gefühlssturm über
mich herein. Da habe ich abgebaut, versagt. Ich habe mich benommen
wie ein kleines dummes Mädchen. Am liebsten hätte ich in
dieser Sekunde alles hinausgebrüllt. Ich war drauf und dran, es
auch wirklich zu tun. Aber dann habe ich mich zusammengerissen. Wenn
Sie der Unbekannte sind, auf den ich gewartet habe, dann erhalte ich
durch Sie eine Chance, mich von Stukman zu lösen, ohne eine
Gefahr für Leib und Seele einzugehen.«
Das »Seele« betonte sie so auffällig, daß man
es überhaupt nicht überhören konnte.
»Auch der Zeitpunkt stimmt. Morgen ist der Ball.«
»Was für ein Ball?«
»Stukman und ich sind im Hotel Kronenberg eingeladen.
Prominente Politiker, Leute aus Kunst und Wissenschaft nehmen daran
teil. Rund dreißig Personen werden wir sein. Kein großes
Fest, aber ein wichtiges, wie Stukman mir gesagt hat. Er hofft dort
mit ein paar Leuten sprechen zu können, die ihm behilflich sind,
seine Karriere weiter auszubauen. Karriere! Das ist das einzige, was
er im Kopf hat. Ich weiß nicht, was Sie mit mir, mit Stukman
und mit dem Fest zu tun haben. Ich sage Ihnen einfach alles, wie es
mir gerade in den Sinn
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