Macabros 033: Flucht in den Geistersumpf
her.
»Tony! Warum tust du das?« gurgelte sie voller
Entsetzen.
»Ich hatte dich gewarnt. Ich hatte dir gesagt, daß du
nie auf dumme Gedanken kommen sollst. Es war jemand hier in der
Wohnung – gib’s zu, du hast jemand eingelassen!«
Er schüttelte sie.
»Ja… ja… es stimmt…«
»Warum hast du das getan? Trotz meines ausdrücklichen
Verbotes?«
»Ich… weiß… nicht…«
»So, du weißt nicht aber du weißt, was auf dem
Spiel steht, nicht wahr?! Närrin, Mistding! Glaubst du wirklich,
du könntest das zunichte machen, was ich mir aufgebaut
habe?«
»Aber Tony! Das tue ich doch gar nicht.«
»Das tust du nicht so? In dem Moment, wo du dich meinen
Anweisungen widersetzt, tust du bereits alles gegen meinen
Willen!« Er schlug mehrfach auf sie ein. Lorette kam gar nicht
dazu, irgendwelche Abwehrhandlungen vorzunehmen oder sich wenigstens
zu schützen. Brutal schlug er sie nieder, bis sie zu Boden fiel
und wimmernd liegen blieb.
Ihre Schultern zuckten. Er trat die Frau in die Seite.
»Steh’ auf, los, steh’ auf!« sagte er
barsch.
Lorette richtete ihren Oberkörper auf und schwankte. Ihre
Augen waren mit Tränen gefüllt, und auf ihren Backenknochen
zeigten sich blaue und grüne Flecke.
»Ich kann nicht«, sagte sie mit schwacher Stimme.
»Du kannst mich hintergehen, also kannst du auch aufstehen.
Tu’s selbst, oder ich helfe nach! Dann allerdings wird es
wesentlich unangenehmer für dich.«
Sie biß die Zähne zusammen und rappelte sich auf. Vor
ihren Augen begann alles zu kreisen.
»Warum, Tony? Warum… tust du das immer wieder?«
»Wir waren uns von vornherein einig, daß du den Weg
gehst, den ich dir vorzeichne. Alles andere hat dich nicht zu
interessieren.«
»Aber damals wußte ich noch nicht…«
»Ich hatte dich gefragt: bist du zu allem bereit? Deine
Antwort lautete: ja! Das ist wie ein Vertrag!«
»Ja, ja… ich weiß.« Sie stand da mit
hängenden Armen, die Schultern nach vorn gebeugt, als trüge
sie eine Zentnerlast auf ihren Achseln.
»Reiß’ dich zusammen!« fuhr er sie an.
»Ich werde es nie wieder tun, ich verspreche es
dir…«
»Lüge! Was du sagst, ist eine einzige Lüge, und du
bringst mich damit in Teufels Küche. Wir gehören zusammen.
Wir sind aneinander gekettet wie siamesische Zwillinge. Ich habe
versucht, dir das plausibel zu machen. Ich bin auf dem Weg, das
Höchste zu erreichen, was man auf dieser Welt nur erreichen
kann, und ich lasse mir von dir keine Steine in den Weg
legen.«
»Ich tue es nicht wieder… bestimmt nicht…«
sagte sie monoton.
»Das hast du mir schon mal versprochen, als die Sache mit der
Wahrsagerin passierte. Du wolltest unbedingt wissen, was dich am Ende
des Weges erwartet und ob es nicht doch eine Möglichkeit
gäbe, vom fahrenden Zug abzuspringen. Es gibt diese
Möglichkeit nicht! Kapierst du das endlich? Der Zug fährt
immer schneller, und du sitzt mitten drin und rast mit, und wenn du
springst, dann brichst du dir das Genick.«
Sie nickte. Von alledem begriff sie nur die Hälfte. Stukman
stand mit dem Teufel im Bund. Er schien tausend Augen zu haben, um zu
sehen, tausend Ohren, um zu hören. Stets war er über alles
unterrichtet. Nun war er auch hinter den Besuch Hellmarks gekommen.
Wie und wo hatte er davon gehört?
Es wurde ihr nicht bewußt, daß sie diese Frage
stellte.
»Ich habe meine Spione. Lorette! Ich weiß immer und
jederzeit alles, was hier vorgeht. Nach dem Besuch bei der
Wahrsagerin hättest du schon wissen müssen, daß es
zwecklos ist, das Netz zu zerreißen, in das du mit eingesponnen
bist. Glück, Reichtum, Macht, Karriere und Ansehen fällt
einem in den Schoß – man muß nur wissen, auf welche
Weise und mit welchen Partnern man an diese Dinge herangehen
muß. Die Rolle, die du spielst, ist wichtig. Wichtig für
dich, wichtig für mich. Aber sie ist nicht so wichtig, daß
ich dich nicht aus eigener Kraft fallenlassen könnte!«
»Und warum tust du’s nicht, wenn du das wirklich
kannst?«
»Weil es zu einfach wäre. Das gefällt meinen
Freunden nicht. Sie wollen dich leiden sehen. Daran erfreuen sie
sich.«
»Das ist teuflisch!«
»Ja, das ist es. Das soll es auch sein. Und damit du dir
endlich merkst, daß ich keine leeren Drohungen ausspreche,
sollst du gleich zu spüren bekommen, wie das ist, wenn man
grundsätzlich Widerstand leistet. Das führt nie zu etwas,
meine Liebe!«
Er griff nach dem Glas auf dem Tisch. Es war noch halbvoll, und er
schüttete den Inhalt Lorette Massieu kurzerhand ins
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