Macabros 036: Gruft der bösen Träume
fleischfarbener Wurm,
kroch blitzschnell die flachen Stufen hoch, teilte sich und kreiste
sie von allen Seiten her ein.
Da verließen sie ihre Kräfte.
Es wurde schwarz vor ihren Augen, und sie wußte, daß
sie das grausame Spiel, dessen Regeln sie nicht kannte, verloren
hatte.
*
Das Boot mit Hellmark und Falkner glitt aus der Nebelbank, und die
beiden Männer sahen das phantastische Gebilde aus dem Meer
ragen.
Minutenlang starrten sie darauf, und Falkner verschlug es den
Atem.
Wie ein Maul wirkte der Eingang in eine düstere, unbekannte
Welt. Wie Spinngewebe hingen pflanzenfaserähnliche Gebilde aus
dem Kopf über dem Eingang, pendelten die lebendigen Schlangen
wie Schnüre, die aus den Augen und der Stirn wuchsen, über
dem Tunnel.
In den riesigen, klobigen Augen entstand für den Bruchteil
einer Sekunde eine Bewegung!
Dort oben in den leeren Höhlen des alptraumhaften Gebildes
lag jemand auf der Lauer.
Hellmark hatte es erblickt.
Er steuerte das Boot an die Seite, wo das felsige Ufer, in dem die
Türme steckten, steil und zerklüftet anstieg.
»Warten Sie hier auf mich! Ich seh’ mich mal um«,
raunte er Falkner zu. »Da oben geht etwas vor. Bleiben Sie in
Reichweite!« Noch ehe Stan Falkner begriffen hatte, worum es
ging, sprang Björn Hellmark schon aus dem Boot und stieg das
Steilufer empor, wo er guten Halt fand. Behende nutzte er vorstehende
Felsen und Spalten, bediente sich sogar der herabbaumelnden,
armdicken Fäden und zog sich wie Tarzan in die Höhe. Der
unheimliche Kopf bestand, aus einer hornartigen Substanz und
unterschied sich damit deutlich von dem Felsgestein, aus dem auch die
düsteren Türme aufgeschichtet waren.
Hellmarks Sinne waren zum Zerreißen gespannt. In was
für ein Abenteuer war er da geschlittert? Kaum in der Welt des
Diesseits angekommen, fand er kaum Zeit, sich dort zurechtzufinden
und wurde in Dinge gezogen, deren Sinn er nicht verstand.
Er kletterte über die vorspringenden, breiten
Augenwülste und starrte in die eine Augenhöhle. Die
Dunkelheit dort drin wogte, als würde sie atmen.
Er kniff die Augen zusammen, und es kam ihm so vor, als ob in der
Dunkelheit etwas lauere.
»Ist da jemand?« fragte er mit klarer Stimme, und der
Klang seiner Worte verhallte, als hätte er in eine riesige
Muschel gesprochen.
*
Stan Falkner blickte in die Höhe. Es entging ihm, daß
sich lautlos und schnell das Wasser bewegte.
Es gab einen Ruck, und das Boot kenterte.
Mit einem Aufschrei wurde Falkner wie von einem Katapult über
den Bootsrand geschleudert.
Und dann ging es Schlag auf Schlag.
Mehrere fleischfarbene, überdimensionale Bänder schoben
sich schmatzend und gierig aus dem Wasser. Falkner wurde von einem
Teil des unfaßbaren Lebewesens gepackt und in die Höhe
gerissen.
Wo die schleimige, klebrige Masse ihn berührte, glaubte er,
daß ihm die Haut abgeschält würde.
Die Stellen brannten wie Feuer.
Wo das rohe, krabbelnde Fleisch ihn berührte, löste sich
der Stoff seiner seidig schimmernden Pyjamahose auf.
Falkner wehrte sich verzweifelt, um sich dem Zugriff der Bestie zu
entwinden. Er schrie und trommelte mit den Fäusten in die
breiige, zuckende Masse, in der er bis zur Hüfte steckte wie in
einem lebenden Sack, der ihn verschlingen wollte.
Schon beim ersten Aufschrei warf Björn den Kopf herum und
starrte in die schwindelnde Tiefe, wo sich Falkners Kampf auf Leben
und Tod abspielte.
Er mußte ihm zu Hilfe eilen!
Dieser Bestie war der tapfer kämpfende Falkner nicht
gewachsen.
Instinktiv tat er blitzschnell das, was er glaubte, tun zu
müssen.
Als Mensch aus Fleisch und Blut würde er wenig ausrichten
können.
Als Macabros um so mehr.
Sein Ätherkörper aus einer feinstofflichen, nicht
angreifbaren Substanz entwickelte sich aus seinen Gedanken.
Hellmark nutzte seine Gabe, an zwei Orten gleichzeitig sein zu
können. Er sah seinen Zweitleib mehr als hundert Meter unter
sich wie eine Geistergestalt aus dem Nichts kommen und Falkner zu
Hilfe eilen, der von der Manipulation nichts bemerkte.
In Falkners unmittelbarer Nähe griff Macabros handfest in den
Kampf ein, und Stan Falker erblickte aus den Augenwinkeln scheinbar
den großen, kräftigen Mann mit den breiten Schultern, dem
blonden Haar und dem sonnengebräunten Gesicht.
Hellmark half ihm!
Das stärkte seine Kräfte und seinen Mut.
Doch der wirkliche Hellmark stand oben in dem riesigen Auge, und
ein gellender Hilferuf veranlaßte ihn, vollends in die bizarre,
ungewöhnliche Höhle
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