Macabros 045: Das Geheimnis der grauen Riesen
gegenseitig ihre Geschichte, und
während Björn mit jeder Minute, die verstrich, erstarkte,
kam es ihm so vor, als ob Henry Herold an Kraft verlor.
Er lehnte müde und lethargisch gegen die glasige Wand, und
seine Stimme klang schwer, als er sagte: »Sie haben nach dem
Grund der Verfärbung meiner Haut gefragt. Ich kenne diesen Grund
nicht. Vielleicht hängt er damit zusammen, daß ich es
gewagt hatte, hierherzukommen… ich hätte es nicht tun
sollen. Das Blutsiegel des Molochos spielt dabei offenbar keine
unbedeutende Rolle.«
Ohne daß Hellmark ihn danach fragte, begann Dr. Herold
über seine Kenntnisse zu sprechen, die er sich im Lauf von
vielen Jahren angeeignet hatte.
»Die grauen Riesen zu finden, das war stets ein Traum von
mir, ein Traum, über den ich mit niemand sprach, um mich nicht
lächerlich zu machen… Ich vertraute mich nicht mal meiner
Frau an, solange ich nicht wußte, ob an meinem Traum auch nur
ein Zipfelchen wahr sein könnte. Liz – mein Gott, wie wird
ihr jetzt zumute sein! Wie werden sie mich suchen…« Seine
Stimme klang leise, daß Hellmark Mühe hatte, das
Gesprochene zu verstehen.
Er fuhr zu sprechen fort: »Ich habe einen Traum wahr gemacht,
doch er ist dann anders ausgegangen, als ich erwartet habe. Die
grauen Riesen hatten einst Kontakt mit den fernen Vorfahren unserer
Rasse. Es muß ein sehr enger Kontakt gewesen sein. Soviel
jedenfalls glaubte ich aus den indianischen Schriften, die ich zuvor
eingehend studiert hatte, entnommen zu haben. Der Übergang, der
von den Grauen seinerzeit nachweisbar geschlossen wurde, konnte
erstaunlicherweise jedoch immer noch von Menschenhand neu
geöffnet werden, wenn einer das Rätsel der Symbole und das
System der Berührungspunkte löste. In harter Arbeit ist mir
beides gelungen. Die grauen Riesen würden erstaunt sein, Besuch
aus dem Reich der Menschen zu erhalten. Aber dem war nicht so. Ich
erlebte die größte Enttäuschung meines Lebens. Sie
nahmen meine Anwesenheit gar nicht wahr, sie wollten sie nicht
wahrnehmen! Sie tauchten nach meiner Ankunft hier auf – und
drängten mich zurück. Sie wollten nicht, daß ich jene
Felsenhalle zu Gesicht bekam, die ich vorher schon flüchtig
gesehen hatte. Dort bewachen sie die Eier ihres Nachwuchses.
Weibliche graue Riesen legen diese Eier. In ihnen befinden sich zwar
lebende Junge, aber die machen im Innern des Eies eine Metamorphose
durch, ehe sie die Hülle sprengen können. Die mich
entdeckten, drängten mich ab in diesen Teil der Höhle.
Niemand sprach ein Wort mit mir.«
»Vielleicht gibt es keine gemeinsame Basis, vielleicht
beherrschen sie keine der gängigen Sprachen.«
Herold schüttelte heftig den Kopf. »Aus den indianischen
Schriften geht eindeutig hervor, daß es für die Grauen
keine Sprachbarrieren gab. Graue Riesen stellen sich auf ihren
Gesprächspartner ein. Sie sind hochbegabte parapsychisch
veranlagte Geschöpfe. Sie wollen den Kontakt nicht, sie lehnen
ihn ab, weil sie uns als Gesprächspartner ablehnen.«
»Ich verstehe das nicht…«
»Ich ein wenig, Mister Hellmark. Erinnern Sie sich daran, als
wir uns seinerzeit – unter ebenfalls sehr merkwürdigen
Umständen – zum erstenmal begegneten und ich Ihnen von
meiner Hoffnung und Erwartung erzählte, die ich an das
Aufstoßen des Tores zu den grauen Riesen
knüpfte?«
Björn nickte. »Ja, ich entsinne mich gut.«
»Jetzt wünsche ich mir, ich hätte den Weg nie
gefunden. Sie hassen uns nicht – aber sie ignorieren uns. Das
ist viel schlimmer. Wir sind einfach nicht da für sie.«
»Das muß einen Grund haben.«
»Ich habe darüber nachgedacht. Ich glaube, ich kenne ihn
– allerdings nicht so genau, wie man ihn kennen
müßte, um die Verfremdung abzubauen. Graue Riesen werden
sehr alt und haben ein enormes Gedächtnis. Das eingangs
erwähnte Blutsiegel des Dämonenfürsten muß
für ihr Verhalten verantwortlich zu machen sein. In den
Textstellen, die ich kenne und die leider nicht vollständig
sind, findet das Siegel Erwähnung als ›Todes- und
Leidbringer‹, vergleichbar einem Kometen, der Unheil
ankündigt. Krankheiten sollen ausbrechen, wo das Siegel
aufbewahrt wird. Es kam aus unserer Welt in die Welt der grauen
Riesen, soviel jedenfalls steht fest. Die Grauen müssen
irgendwann mit etwas Menschlichem schlechte Erfahrungen gemacht
haben. Das übertragen sie nun auf alle Menschen, vermutlich nach
dem Motto: einer ist schlecht – also sind es alle. Der Vergleich
zwischen Rot und Weiß drängt sich einem
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