Macabros 047: Formonatio - Welt des Unheils
drüben zu
gehen.«
Morgan überprüfte die Sprechautomatik. Das in den Helm
eingebaute Funkgerät funktionierte einwandfrei.
»Einer muß hier bleiben. Warum sollen zwei den Kopf
riskieren, Frankie?«
Während Morgan dies sagte, ließ er die Gestalt in der
Dunkelheit des gewaltigen Loches mittschiffs nicht aus den Augen.
Die schöne Frau lächelte ihm zu. Ihre Haare waren
bronzefarben, schulterlang und bewegten sich wie das dünne,
durchscheinende Gewand in zartem Wind.
»Da drüben spukt’s, Chas. Sei auf der
Hut!«
»Wenn es hart auf hart geht, kannst du mir ja Feuerschutz
geben.«
Morgan grinste schwach. Er wußte genau, daß dies nicht
möglich war. Der Energievorrat der ›Nummer Neun‹ war
auf ein Minimum zusammengeschrumpft, als hätte die Kraft aus dem
Siedlerschiff dort drüben sie an sich gezogen.
Zwischen Chas und Frankie fielen nur noch Worte. Chas legte Wert
darauf, daß Frankie unter keinen Umständen folgte, auch
für den Fall, daß er nicht zurückkommen
würde.
»Was soll ich dann tun?« fragte Lane mürrisch.
»Abwarten, Frankie-Boy! Wenn ich mich innerhalb einer halben
Stunde nicht wieder gemeldet habe, ist etwas faul da drüben.
Verbarrikadiere dich in der Kabine! Wenn sich die geringste
Möglichkeit ergibt, an die Zentrale einen Notruf abzusetzen oder
das Schiff wieder in Schwung zu bringen, dann tu’s! Auf alle
Fälle versuch’ durchzuhalten! Wenn dir das acht Stunden
lang gelingt, ist das schon ein Plus. Denn dann wird Oberst Mechinko
sich etwas einfallen lassen, um uns aufzuspüren. Aber ich hoffe,
daß es nicht so weit kommt.«
Er starrte ein letztes Mal auf die schöne Frau, die
lächelnd in verführerischer Pose inmitten des dunklen
Loches schwebte.
»Dieses Gesicht, Frankie«, murmelte Chas Morgan.
»Ich habe es schon mal irgendwo gesehen…«
Lane schluckte. »Nun sag’ nur, du hast mit dem
Mädchen schon geschlafen. Dir trau’ ich zu, daß du
dich für eine Dienstfahrt abkommandieren läßt und sie
als Rendezvous mit einem hübschen Girl nutzt. Aber mit dem
Mädchen da drüben stimmt etwas nicht, Chas. Die scheint
nicht mehr am Leben zu sein. Wer ohne Schutzhelm durch ein Vakuum
spaziert, mit dem kann es nicht weit her sein. Sei auf der
Hut!«
Frankies Stimme klang ernst.
Chas klopfte seinem kleinen, dicken Freund auf die Schulter und
ging dann zur Luftschleuse. Wenige Augenblicke später tauchte
Chas Morgan außerhalb der ›Nummer Neun‹ auf. Er
stieß sich kurz und hart ab und schwebte auf das nur etwa
zwanzig Meter entfernte, ausgefranste und riesige Loch im Leib des
Wracks zu.
Auf dem Hauptsichtschirm konnte der zurückgebliebene Frankie
Lane jede Einzelheit verfolgen.
Die spukhafte Erscheinung bestand noch immer. Sie schien auf Chas
Morgans Annäherung zu warten. Lane nagte an seiner Unterlippe.
Chas hatte da eine Bemerkung gemacht, die ihm nicht gefiel und ihn
nachdenklich stimmte. Was meinte er nur damit, als er sagte, die
Fremde käme ihm bekannt vor? Hatte er sie wirklich schon mal wo
gesehen?
Lane konnte nichts von den seelischen und geistigen Problemen Chas
Morgans ahnen, und ausführlicher hatte Chas nicht werden
wollen.
In dem Augenblick, als er die schöne Gestalt aus der
unbekannten Tiefe des Wracks auf die ›Nummer Neun‹
heranschweben sah, war das Gefühl, ein anderer zu sein, wieder
ganz stark gewesen.
Es gab Zeichen, die das einfach bewiesen.
Zeichen, die ihn sicher oder unsicher machen sollten? Das eben
wußte er selbst nicht…
Er richtete seinen Blick auf das schöne,
ebenmäßige Gesicht.
Die Nase war gerade und teilte das Gesicht in wohlproportionierte
Abschnitte, in denen der schön geschwungene Mund und die Augen
weder zu groß noch zu klein waren.
Das zarte, alabasterfarbene Gesicht schimmerte in der Dunkelheit,
und ein Ausdruck von Ruhe und Klugheit zeichnete dieses Antlitz, das
er mit dem einer Göttin verglich.
Die Tempeldienerinnen der Göttin – selbst mit
göttlicher Schönheit gesegnet!
Schlagartig fiel es ihm wieder ein, und er wußte, daß
der Name Chas Morgan und das Leben, das er als solcher führte,
nichts mit der Wirklichkeit zu tun hatte.
Ich bin Björn Hellmark! Molochos hat mich in seinen Klauen
– aber der Zugriff ist nicht stark genug, meine Erinnerung an
mein wirkliches Ich, das vorübergehend erloschen war, hat er mir
nicht ganz nehmen können!
Der Atem stockte ihm. Jetzt wußte er, wo er dieses Gesicht
schon mal gesehen hatte.
In Tschinandoah, der Stadt der lebenden Steine!
*
Sein Leben
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