Macabros 049: Die Qualligen aus der Mikrowelt
zuckten, und er vermied
es, einen Blick nach hinten zu werfen.
»Sie haben richtig geraten. Ich wollte nur noch ein
bißchen zu Fuß gehen.«
»Die Luft ist eigentlich zu kalt, um spazieren zu
gehen.«
»Da haben Sie auch wieder recht.«
»Wo darf ich Sie hinbringen?«
»Beckerweg.«
Die Tür knallte zu. Der Fahrer startete und fuhr rechts
ab.
Das wunderte Wolfe. Da er seit Tagen zwischen Beckerweg und
Kaiserstraße verkehrte, wußte er, daß der Fahrer
ohne weiteres links hätte fahren können. Offenbar gingen
seine Geschäfte im Moment schlecht, und da er bemerkt hatte,
daß er es mit einem Ausländer zu tun hatte, der sich
offenbar in der Stadt nicht richtig auskannte, schlug er einen Umweg
ein. Es gab immer wieder Chauffeure, die es versuchten. Zum
Glück waren nicht alle so.
Wolfe grinste still vor sich hin und sagte nichts.
Komisch kam ihm die Sache vor, als der Chauffeur in eine enge
Seitengasse fuhr, in der Diskotheken, Bars und Pizzerias wie die
Perlen an einer Schnur dicht an dicht folgten.
Der Fahrer hielt an einem schmalbrüstigen Haus, von dem aus
eine dunkle Einfahrt in den lichtlosen Hinterhof führte.
»Was wollen Sie denn hier?« fragte Wolfe verwundert.
Aus dem Schatten des Torbogens löste sich eine Gestalt.
Die kam blitzschnell mit zwei raschen Schritten über den
Bürgersteig, und ehe Ronald Wolfe sich versah, riß der
Fremde die Tür auf.
»Was soll denn das?« entfuhr es dem Professor aus New
York.
Die Pistole in der Hand des Mannes, der sich nach innen beugte,
trug einen Schalldämpfer.
Blopp… blopp… machte es zweimal. Kurz und trocken.
Wolfe hörte nur das erste »Blopp«.
Die Kugel schlug in den Bauch, die zweite folgte dicht daneben und
zerriß eine Arterie.
Er konnte nicht schreien. Seine Augen weiteten sich, ein
ungläubiger Ausdruck trat in sie.
Dann fiel sein Kopf langsam nach vorn.
Professor Ronald Wolfe war tot.
*
Der Meuchelmörder schob sich auf dem Platz neben dem
Toten.
»Schnell, untersuch ihn«, zischte der Fahrer, ohne den
Blick zu wenden. »Er hat etwas bei sich. Es muß
verschwinden.«
»Immer mit der Ruhe«, sagte der Dunkelhaarige mit den
kalten stechenden Augen. Er roch nach Alkohol. »Du weißt,
daß du dich auf mich verlassen kannst.«
Er nahm sich sämtliche Taschen des Toten vor.
Er zog die Brieftasche heraus, und ein überraschter Ausruf
kam über seine Lippen. »Donnerwetter! Das hat sich
rentiert. Willst du mal sehen?«
»Mach, verdammt nochmal! Geld interessiert mich
nicht.«
Der Dunkelhaarige mit dem aufgedunsenen Gesicht schüttelte
den Kopf.
Noch immer stand das Taxi vor der Einfahrt.
Aus den nahen Vergnügungsstätten hörte man Musik
und Lärm. Vor einer unverputzten Mauer, die mit zerfetzten
Reklameplakaten beklebt und unflätigen Bemerkungen beschriftet
war, standen mehrere Jugendliche, die Bier- und Whiskyflaschen
kreisen ließen und dabei qualmten wie die Schlote.
Da offenbar die eigenen Stimmen und die Musik von innen, die durch
die geklappten Fenster auf die Straße fiel, nicht ausreichten,
ließ der eine der Burschen sein Moped voll aufheulen, so
daß sie sich gegenseitig anbrüllen mußten, um sich
überhaupt zu verstehen.
Von den jungen Leuten da drüben hatte niemand beobachtet, was
für eine ruchlose Tat hier begangen worden war.
Und wäre in diesem Moment ein Passant an dem stehenden
Fahrzeug vorübergegangen, ihm wäre garantiert nicht
aufgefallen, was sich hier wirklich abspielte.
Er wäre im Glauben gewesen, daß da hinten ein
Betrunkener hockte, der von seinem Mitfahrer aus dem Wagen gezerrt
werden sollte.
Der Mörder grinste. »Du bist schon ein komischer Kerl!
Aber da mich die Lappen hier mehr interessieren als alles andere,
hast du wohl nichts dagegen, wenn ich sie mir einstecke.«
»Das ist mir egal, wie du weißt. Hat er was dabei?
Natürlich, ich fühle es ja, er muß etwas dabei
haben.«
Der Schütze riß dem Amerikaner Schlips und den oberen
Hemdknopf auf und fand das Amulett an einem silbernen Kettchen.
Das Amulett bestand aus reinem Silber, und auf der unebenen
Fläche waren mehrere verschiedenfarbige Symbole aus Emaille
aufgetragen.
»Da hat er etwas, willst du es sehen, oder…«
»Reiß es ihm ab!« Alles an dem Taxifahrer spannte
sich.
Der Vierschrötige zuckte die Achseln, betrachtete sich das
Amulett und riß dann die Tür auf.
»Wirf’s in den Kanal!«
Der Schütze blickte an der Straße entlang, wollte das
Auto verlassen, sah aber den Gully nur einen guten Meter hinter
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