Macabros 049: Die Qualligen aus der Mikrowelt
dem
Taxi und meinte, sich den Ausstieg ersparen zu können. Er warf
das Amulett nach vorn.
Er traf den Gully. Das Amulett rutschte zwischen den Stäben
nach unten, fiel aber nicht in die Tiefe, weil das silberne Kettchen
sich um einen Eisenstab schlang.
Das Amulett baumelte an dem Stab.
Aber das sah der Mordschütze in der Dunkelheit nicht, und da
der Fahrer aufatmete und ihm sagte, daß nun alles in Ordnung
sei, sah er keinen Grund, den Wagen zu verlassen und erst noch nach
dem rechten zu sehen.
Der Mann hinter dem Steuer atmete sichtlich auf, startete und fuhr
die Straße entlang. Seine Miene hellte sich auf. Das kalte
Glitzern in seinen Augen aber blieb.
Der Mörder lehnte sich zurück.
»Eines verstehe ich nicht, Heinz: Wieso hast du vor so einem
kleinen Ding…«
»Es gibt Dinge, über die ein anderer nicht gern
spricht«, fuhr ihm der Chauffeur ins Wort, einen kalten,
schnellen Blick in den Rückspiegel werfend. »Wir kennen uns
schon lange. Wir haben zusammen schon manches Ding gedreht, und du
hast nie gefragt, warum und weshalb ich gerade so und nicht anderes
handelte. Der Kerl war mir im Weg! Er hat etwas
herausgefunden…«
»Ein Ausländer, Kurt?«
»Die Polizei arbeitet hier mit allen Tricks. Das Amulett, das
er trug… war unangenehm. Es gibt Menschen mit
übernatürlichen Sinnen…«
»Oh, jetzt wird’s okkult. Ich hab gar nicht
gewußt, daß du auch in der Richtung was verstehst. Mit
dir kann man schon Überraschungen erleben. Hol’s der
Teufel!«
»Reden wir nicht mehr darüber. Du hast deinen Schnitt
gemacht. Jetzt kommt es darauf an, den Burschen da verschwinden zu
lassen, und zwar so, daß kein Schwein ihn mehr findet –
und dann ist die Sache ausgestanden…«
*
Sie fuhren rund zwölf Kilometer. Dann waren sie am Ziel. Eine
Müllkippe, die demnächst geschlossen werden sollte, bot
ihnen genau den Platz, den sie gesucht hatten.
Sie entkleideten die Leiche, reinigten oberflächlich die mit
Blut angeschmutzten Rücksitze und rollten die Leiche dann in
eine tiefe Mulde, die sie mit Unrat zuschippten.
Kein Mensch war Zeuge.
Ratten tauchten in der Nähe des mit Unrat bedeckten Opfers
auf. Das frische Blut lockte sie an.
Kurt de Krestin, seit neun Jahren in Frankfurt, allein wohnender
Sonderling, der aushilfsweise als Taxifahrer, als Zeitungsbote oder
als Rausschmeißer in zwielichtigen Bars in der Innenstadt
tätig war, stand teuflisch grinsend am Rand der Müllkoppe
und starrte auf die in großer Zahl auftauchenden Ratten.
»Guten Appetit«, murmelte er kalt.
*
Sie fuhren in die Stadt zurück.
Der Mordschütze ließ sich in der Berliner Straße
absetzen, Kurt de Krestin versprach, sich in den nächsten Tagen
mal zu melden.
Der Mann, mit dem er den Mord durchgeführt hatte, war im
voraus bereits für die Tat bezahlt worden.
De Krestin fuhr ruhig durch die Stadt und – während er
an den hellerleuchteten Schaufenstern der City vorbeifuhr, warf er
hin und wider einen Blick in den Innenspiegel.
Die Blutflecke auf dem Rücksitz waren durch das
Reinigungsmittel nicht vollends verschwunden. De Krestin hatte seinem
Kumpan mitgeteilt, daß er da noch etwas tun müsse.
Aber dazu brauchte er keine Hand anzulegen.
Er erledigte diese Dinge mit geistigmagischer Kraft.
Er konzentrierte sich auf das Gewebe, und die Flecke
verblaßten. Der Stoffbezug nahm wieder sein altes Aussehen an,
und es war unmöglich zu erkennen, daß hier Blut
hineingesickert und die Stellen mit einem Reinigungsfluid
nachbehandelt worden waren.
Dann die Kleidung des Toten…
Hemd und Jackett waren blutbesudelt, ebenso die Unterwäsche,
und darüber hinaus hatten alle Kleidungsstücke versengte
Löcher, die die eindringenden Projektile gerissen hatten.
Er konzentrierte sich darauf.
Die Blutflecke verschwanden, die Löcher schlossen sich.
Kurt de Krestin betrachtete sich im Spiegel, während er an
der Ampelanlage in Richtung Messegelände hinter einer
Autoschlange warten mußte.
Er hatte eine graue, schlecht durchblutete Gesichtshaut, eine
kräftige, etwas gebogene Nase und schmale, streng gezeichnete
Lippen.
Seine Ohrläppchen waren angewachsen, und sein Haaransatz
begann tief in der Stirn. Die Haare waren dicht und gepflegt und
schimmerten ölig von der Pomade, die er regelmäßig
benutzte.
Er stellte sich genau das Gesicht des Mannes vor, den er seit
Tagen beobachtete und dem er sich nicht selbst nähern konnte,
weil er ein abwehrendes Amulett besessen hatte, das ihm Schmerzen
zufügte und
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