Macabros 051: Skelettus, Fürst der Knochenburg
nach Verwesung roch,
hereinströmte.
Es war die Luft aus den magischen Gärten, in denen Tamuur
seine Opfer in eine andere Gestalt zu verwandeln pflegte.
Mahay stand mit dem Rücken zur Wand. Seine Augen
erfaßten das Ungetüm, dem er bisher pari bieten
konnte.
Die Schlangequalle glitt auf ihn zu. Sechs Köpfe bewegten
sich schaukelnd hin und her. Es schien, als begreife der Bodtgan,
daß der Kampf zu seinen Gunsten entschieden war.
Nur eines war noch möglich: Flucht.
Er konnte quer durch die Halle rennen – hinaus in den
Zaubergarten. Aber da würde er vom Regen in die Traufe
geraten.
Wenn der Bodtgan ihn nicht auffraß und allem ein Ende
machte, dann würde Tamuur es sein.
Was war besser: der sichere Tod oder das qualvolle Dasein einer
Pflanze in Tamuurs Zaubergarten?
Er resignierte. Seine Kräfte waren aufgebraucht.
Der Bodtgan türmte sich wie ein Fleischberg vor ihm auf, und
Mahay stand noch immer wie angeklebt an der Wand.
»Du mußt etwas tun!« ertönte da die Stimme.
»Du darfst nicht so sterben! Dann wäre – alles umsonst
gewesen, Rani Mahay, Mann aus der fremden Welt! Ich weiß, du
bist stark und mutig!«
Mahay glaubte nicht recht zu hören und seinen Augen nicht
trauen zu können.
Aleana war aufgesprungen. Ihre Augen glänzten wie im Fieber,
und sie flehte ihn an.
Die Kühle und Sachlichkeit die sie sich die ganze Zeit
über auferlegt hatte, waren wie weggewischt.
*
Ihre Blicke hetzten von einer Ecke des Saales zur anderen.
»Ich weiß, daß er nicht mehr in der Nähe
ist, daß er es sich nicht nehmen läßt, seinen
nächtlichen Spaziergang durch den grauenvollen Garten zu einem
bestimmten Zeitpunkt zu beginnen und zu einem bestimmten Zeitpunkt zu
beenden. So eingeplant war dieses furchtbare Spiel.« Ihre Stimme
zitterte. Man hörte ihr an, wie sehr sie die ganze Zeit unter
der Anspannung gelitten, wie sehr sie sich unter die Rolle gezwungen
hatte, die sie darstellte.
»Aleana!« entfuhr es ihm.
»Ich hatte keine andere Wahl, Rani Mahay. Tamuur, der
Schreckliche, ist mißtrauisch geworden. Ich mußte sein
Mißtrauen zerstreuen. So mied ich die Nähe deiner Zelle,
nachdem ich dir versprochen hatte, mich zu melden, sobald es
möglich wäre. Mit neuen und hoffentlich besseren
Nachrichten. – Tu etwas! Kämpfe! Ich weiß, du kannst
kämpfen wie ein Bär! Du mußt diesen Kampf
überstehen – ich habe eine Nachricht für
dich!«
Er lachte rauh und sah abgekämpft und erschöpft aus.
»Mit bloßen Händen?« murmelte er. »Gegen
dieses Monstrum? Sag mir, wie ich das machen soll.«
»Du bist stark. In dir schlummert etwas Besonderes.«
»Gegen die grausame Magie Tamuurs hier in dieser Welt ist
kein Kraut gewachsen.«
»Der Bodtgan ist nicht magisch! Er ist ein wildes Tier aus
den Bergen Zlot jenseits des Tals der tausend Foltern. Und ein Tier
kann man überlisten, wenn man nur will!«
Mahays Augen nahmen einen kalten Glanz an. Die letzten Worte, die
über Aleanas Lippen kamen, elektrisierten ihn förmlich.
›Wenn man nur will!‹
Der Bodtgan – ein Tier und kein magisches Geschöpf?
Wie ein Fanal leuchtete vor seinem geistigen Auge die Zeit im
Zirkus auf, als er mit einer undressierten Raubtiergruppe um die
ganze Welt reiste und mit bloßem Willen diese Raubkatzen
bezähmte.
Er war imstande, wilde Tiere unter seine Kontrolle zu bringen,
ohne mit Peitsche und Stange zu arbeiten. Und der Bodtgan – war
auch ein wildes Tier?
Da schnellten die Schlangenkörper auf ihn zu.
Das ganze Blickfeld vor ihm war ausgefüllt von dem
Fleischberg, der sich auf ihn wälzte.
Die sechs unheimlichen Schädel bildeten eine regelrechte
Mauer, zuckten in die Tiefe, und alle Mäuler waren aufgerissen,
als wollten ihn alle gleichzeitig verschlingen.
Da war es, als würde sich etwas in ihm lösen.
Nein! Er wollte nicht sterben! Er wollte einen letzten,
entscheidenden Versuch machen. Eine andere Möglichkeit blieb ihm
sowieso nicht mehr.
Er konzentrierte sich auf das Monster.
Mahays Körper war gespannt wie eine Sehne, und in diesen
Sekunden forderte er sich eine geistige Leistung ab, die der
körperlichen von vorhin um nichts nachstand.
Der Schweiß brach ihm aus.
Er wollte, er mußte die Hirne der sieben Schlangen unter
Kontrolle kriegen!
Da ging es wie ein Ruck durch den Leib des angreifenden,
halbintelligenten Kolosses, der immerhin imstande gewesen war, Zurufe
und Befehle seines Herrn und Meisters des scharlachroten Magiers, zu
befolgen.
Die Hirne des Ungetüms standen demnach
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