Macabros 056: Die Leichenpilze kommen
eigenen, neuen Welt herangingen, nur
aktiv werden konnten, wenn sie in der Lage waren, sich frei zu
bewegen.
Diese Beweglichkeit war gegeben!
Auch für Björn Hellmark hatte diese Erkenntnis
weitreichende Bedeutung.
Die kleine Truppe, die bisher zusammengefunden hatte, konnte
überall und jederzeit gegen die finsteren Mächte
kämpfen, die sich anschickten, die Bedingungen auf der Erde zu
ihren Gunsten zu verschieben.
Marlos war zu einem wirklichen Stützpunkt geworden.
In dieser Nacht kam keiner mehr so richtig zur Ruhe.
Die Freunde zogen sich nach und nach in ihre Behausungen
zurück. Carminia und Björn saßen noch längere
Zeit unter freiem Himmel. Mahay war noch bei ihnen.
Carminia war aufgekratzt. Sie freute sich wie ein kleines
Kind.
An Schlaf schien sie überhaupt nicht mehr zu denken.
»Ich könnte tanzen, singen«, jauchzte sie. Sie fiel
ihm um den Hals und sprang wieder auf. »Ich möchte irgend
etwas unternehmen.«
»Du bist eine emanzipierte Frau«, sagte Hellmark
scherzhaft. »Zuviel Übermut bei der ganzen Sache ist aber
wohl nicht angebracht. Nutze die Kraft, die dir zur Verfügung
steht, nur dann, wenn du sie wirklich benötigst!«
»Im Moment möchte ich sie nutzen, dieses wunderbare
Gefühl von Schweben auskosten, Björn. Komm – laß
uns bummeln, quer durch New York… ich erwarte dich auf dem
Broadway…«
Gesagt, getan. Carminia war weg wie ein Geist, der nach Bedarf
kommen und verschwinden konnte.
Björn seufzte. »Man hat’s nicht einfach mit den
Frauen«, murmelte er leise im Selbstgespräch. »Man
sagt oft, daß Männer wie die Kinder sind. Ich glaube, das
gleiche gilt auch für Frauen«, meinte er, sich dem Inder
zuwendend.
Rani Mahay grinste von einem Ohr zum anderen und fuhr sich mit der
flachen Hand über seine prächtige Glatze. »Ein Kind,
das gerade laufen gelernt hat, wird ständig den Wunsch haben,
sich von der Hand der Mutter loszureißen, um die nähere
Umgebung auf eigene Faust zu erforschen.«
Hellmark verdrehte die Augen. »Dann wird die Mutter sich
schnell auf den Weg machen, bevor die Kleine sich den Kopf irgendwo
anstößt. Tschüß, Papa!«
*
Als er das sagte, konnte er nicht ahnen, welche tragische
Bedeutung seine Worte nur Minuten später erhalten
sollten…
Björn löste Macabros sofort auf, kaum daß er sich
mit Hilfe seines Doppelkörpers nach New York auf den belebten,
neonlichtüberstrahlten Broadway versetzt hatte.
Das alles ging so schnell, daß Passanten und Besucher eines
Theaters, die gerade aus dem Eingang kamen, gar nicht merkten,
daß da im Moment noch eine Person gleich zweimal gestanden
hatte.
Hellmark blickte sich um auf der Suche nach Carminia.
Mitten auf dem Broadway wollte sie sein… der Broadway war
lang… Da erblickte er sie in der Nähe eines riesigen
Schaufensters, in dem eine Fülle von Kleidern ausgestellt war.
Carminia Brado aber betrachtete sich nicht die Auslagen, sondern
hielt Ausschau nach Björn.
Sie war etwa zwanzig Schritte von ihm entfernt.
Hellmark lief an dem kleinen Theater vorbei auf sie zu. Da
erblickte sie ihn und eilte ihm entgegen, wie eine Geliebte, die ihn
an diesem Treffpunkt erwartete.
Im selben Augenblick kam auch der dunkelgrüne Pontiac am
Bürgersteig entlang. Es sah aus, als ob er am Straßenrand
halten wollte, um einen Besucher aus dem Theater aufzunehmen.
Der erste Eindruck täuschte.
Der Pontiac rollte langsam weiter. Das hintere Fenster zum
Bürgersteig war heruntergekurbelt.
Carminia Brado war noch zwei Schritte von Hellmark entfernt. Es
war später nicht mehr festzustellen, wem eigentlich der Anschlag
galt. Ihm oder ihr – oder ob Carminia praktisch in die Kugeln
hineingelaufen war.
Die Garbe ratterte aus dem Fenster des Pontiac.
Die Kugeln schlugen hart und unbarmherzig in den Leib der
schönen Brasilianerin, die lautlos, mit erstaunt und
ungläubig aufgerissenen Augen in Hellmarks zugreifende Arme
fiel.
Der Fahrer mit dem Mordschützen im Wagen gab Gas. Mit
kreischenden Reifen jagte der Pontiac über die Fahrbahn.
Menschen schrien auf, als der Geschoßhagel die Schaufenster
zerfetzte. Scherben klirrten, zahlreiche Schaufensterpuppen wurden
von den Kugeln gelöchert. Kleider zerfetzten, Verputz spritzte
von den Wänden.
Zahllose Menschen sahen die schöne Frau in Hellmarks Arme
fallen.
»Schoko!« entfuhr es Björn in namenlosem
Grauen.
Blut sickerte aus mehreren Schußwunden in Carminias
Körper.
*
Handeln! Hier durfte keine Sekunde verloren gehen…
Noch ehe die
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