Macabros 059: Die menschenfressenden Schatten
so heftig und entschieden den Kopf, daß
Santieno erschrak. »Wenn jemand einen Herzschlag bekommt, dann
wimmert und klagt er nicht lange davor. Ich habe Mister Greenich
sterben hören, Alfredo.«
»Du hast dich getäuscht.«
Da verlor sie die Nerven. »Was versuchst du mir denn da
ständig einzureden, Alfredo! Ich habe den Schatten gesehen…
ich habe gehört, wie Greenich stöhnte. Instinktiv
fühlte ich, daß hier etwas vorging, als er sich nicht
bemerkbar machte. Nun finden wir ihn, er ist tot – aber du
siehst noch immer nichts Besonderes dabei. Er ist keines
natürlichen Todes gestorben.«
Sie schrie und fing plötzlich an zu weinen. Es bereitete ihm
einige Mühe, sie wieder zu beruhigen.
»Hier geht etwas vor, Alfredo…«
»Ja, Liebes…« Er widersprach ihr jetzt nicht
mehr.
»Ich weiß nicht, was es ist, aber ich zweifle keine
Sekunde mehr daran, daß es mit dem Schatten zusammenhängt.
Ich habe Angst, Alfredo, schreckliche Angst! Was sollen wir nur
tun?«
Das fragte er sich auch.
»Wir müssen die Polizei anrufen.« Er hatte seinen
Arm um ihre Hüften geschlagen. Olivia schluchzte noch immer.
»Was sollen wir ihr sagen?« flüsterte sie. »Es
wird Fragen geben… in unserem Haus wurde ein Mensch ermordet,
Alfredo.«
Er nagte an seiner Unterlippe.
Er sah das Problem mit klarem Blick. Unangenehme Fragen
würden gestellt werden. Schlagzeilen würde es geben…
Der Name Santieno kam mit Dingen in Berührung, die er
fürchtete.
Mechanisch weiter beruhigend auf sie einsprechend, ging der Makler
an der Seite seiner Frau ins Haus zurück.
Sie nahmen es unter die Lupe und schlossen sämtliche Fenster
und Türen.
Aber zum Telefon ging Alfredo Santieno nicht.
»Ich kann nicht«, sagte er bedrückt. »Wir
müssen uns selbst etwas einfallen lassen.« Während des
Ganges hierher ins Haus hatte er sich offensichtlich etwas einfallen
lassen. »Es mag nicht ganz richtig sein… nein, es ist
sicher vollkommen verkehrt, aber mir bleibt keine andere Wahl,
Olivia.«
Sie blickten sich an.
Die Frau nickte, als hätte sie seine Gedanken erraten.
»Tu’, was du für richtig hältst«, sagte sie
matt. »Du willst…«
»Ja. Wir müssen die Leiche verschwinden lassen. Wenn
sich die Polizei einschaltet, gibt es einen Wirbel. Es bleibt uns
keine andere Wahl, Olivia.«
Sie war jetzt seltsam gefaßt. »Gut«, sagte sie
dann nur. »Schaff ihn weg!« Sie schüttelte den Kopf
und schlug plötzlich beide Hände vor die Augen. »Wir
benehmen uns wie Mörder, als hätten wir ihm wirklich etwas
getan. Hoffentlich ist das kein Fehler, wie wir uns verhalten,
Alfredo…«
»Mach’ dir keine Gedanken, Liebes! Ich bringe das alles
schon in Ordnung. Bleib hier im Haus, laß alle Türen und
Fenster geschlossen! Vielleicht sind wir beide jetzt etwas
nervös und durchgedreht. Morgen sehen wir das sicher mit ganz
anderen Augen. Ich bin gleich wieder zurück.«
Er ging über den Balkon wieder in den nächtlichen Park.
Seltsamerweise war Santieno trotz der unheimlichen und
sinnverwirrenden Ereignisse seltsam ruhig. Wahrscheinlich hing das
damit zusammen, daß er einiges getrunken hatte.
Alfredo Santieno beeilte sich, an Ort und Stelle
zurückzukehren. Hier in diesem Park würde niemand ihn
beobachten, wie er die Leiche wegschaffte und wohin er sie brachte.
Er hatte sich vorgenommen, den Toten in dem Castle zu vergraben.
Unten in einem der unzugänglichen Gewölbe würde man
die Leiche niemals finden.
Er erreichte die Stelle, wo sie den Toten zurückgelassen
hatten und prallte zurück.
Narrte ihn ein Spuk – oder hatte er in Gedanken die falsche
Richtung eingeschlagen?
Greenichs Leiche war verschwunden!
*
Das Gewehr entsichert in der Hand haltend, suchte er die ganze
Umgebung ab.
Er entdeckte keine Schleifspuren, nichts, was darauf hinwies,
daß sich jemand während seiner Abwesenheit hier
betätigt hatte.
Ein verrückter Gedanke kam ihm.
Führte Greenich sie in einer weinseligen Laune einfach an der
Nase herum und…
Ebenso schnell, wie ihm diese Überlegung gekommen war,
verwarf er sie wieder.
Greenich hatte aus eigener Kraft nicht davongehen können!
Greenich war tot gewesen. Jemand konnte ein stehendes Herz nicht
einfach wieder schlagen lassen, wenn derjenige, der es prüft,
sich zurückzog.
Alfredo Santieno war aufgewühlt. Er durchsuchte den ganzen
Park, und immer wieder rief er den Namen des Mannes, der bis zuletzt
heute abend in ihrem Haus geblieben war und auf rätselhafte
Weise dann zu Tode kam.
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