Macabros 059: Die menschenfressenden Schatten
Ich genieß einstweilen die
Brötchen. Sie sind herrlich knusprig und duften nach Backstube.
Genauso mag ich das.«
Es war Olivia Santieno klar, daß sie nicht gleich wieder
zurück sein würde. Sie ahnte Probleme…
Unten vor dem Haus empfing sie den Beamten.
»Ich hoffe, Sie haben mir keine unangenehme Nachricht zu
überbringen.«
»Nachricht überhaupt nicht, Madame. Wir suchen jemand,
Mister Greenich…«
So fing’s an.
Olivia Santieno gab sich überrascht, spielte ihre Rolle aber
gut.
»Greenich? Was ist mit ihm?«
»Seine Schwester hat eine Vermißtenanzeige erstattet.
Mister Greenich wurde vor zwei Tagen zum letzten Mal gesehen. Ich
würde mich gern mit Ihnen unterhalten, Madame. Mister Greenich
war unseren Recherchen nach zuletzt hier in Ihrem Haus
Gast.«
»Das ist möglich, ich weiß es nicht.« Sie gab
Long mit einer Kopfbewegung zu verstehen, daß sie eine
Besucherin hätte. »Es wäre mir lieb, wenn wir das
Gespräch hier unten im Park führen
würden…«
Das taten sie auch.
Pete Long interessierte sich sehr genau für den Ablauf des
letzten Abends, als Greenich hier im Haus weilte. Wie er sich
benommen hätte, was er getrunken hatte…
»Mister Greenich trank immer sehr viel.«
»War er betrunken, als er das Haus verließ?«
»Von der Menge her, die er trank, ja. Aber ihm merkte man das
nie an.«
»Fuhr er noch nach Hause?«
»Wenn Greenich zu einer Party ging, benutzte er nie seinen
eigenen Wagen. Er ließ sich von einem Taxi bringen und fuhr
auch wieder mit dem Taxi weg.«
»Und in jener Nacht – ist er auch mit dem Taxi
weggefahren?«
»Ich nehme es doch an.«
»Sie haben es also nicht gesehen?«
»Nein! Ich bin zu Bett gegangen. Mein Mann hatte mit Mister
Greenich noch einiges zu besprechen.«
»Ihr Mann weiß also Näheres, was das Taxi
anbetrifft, mit dem Mister Greenich das Haus verließ.«
»Sicher.« Jetzt wurde es kritisch. Sie durfte sich
nichts anmerken lassen.
»Sind Sie da ganz sicher? Könnte es nicht so sein,
daß Mister Greenich noch einen kurzen Weg zu Fuß ging und
dann ein Taxi angehalten hat?«
»Nun, wenn Sie mich so fragen: Auch das wäre
natürlich möglich.«
»Ihr Mann weiß das aber genau?«
Sie zuckte die Achseln. »Ich hoffe doch, daß er sich
noch erinnern kann. Obwohl: An diesem Abend hatte er mehr getrunken
als sonst. Als ich ihn nach den Einzelheiten der Party fragte, die
sich zu vorgerückter Stunde hier im Haus abgespielt hatten,
konnte er sich an nichts mehr erinnern.«
Pete Long kratzte sich im Nacken. »Ja, so ist das manchmal.
Solche Dinge erschweren dann kolossal unsere Arbeit, wenn es darauf
ankommt.«
»Befürchten Sie denn etwas – Schlimmeres?«
»Zumindest können wir es nicht ganz
ausschließen.«
»Mister Greenich hat eine Schwäche…«
»Schöne Frauen, wir wissen es, Madame. Er wechselte sie
wie ein anderer seine Hemden. Er führte eifrig Tagebuch und
darin fanden wir auch die Anschriften seiner Freundinnen. Er ist in
den letzten beiden Tagen bei keiner gewesen. Davon können wir
mit Sicherheit ausgehen. – Ist es möglich, auch Ihren
Gatten kurz zu sprechen?«
»Leider nein, Mister Long. Er befindet sich auf einer
Geschäftsreise und kommt erst in drei Tagen
zurück.«
»Oh, das ist schade.« Long machte einige knappe Vermerke
in sein Notizbuch, und Olivia Santieno nahm sich vor, höllisch
aufzupassen mit dem, was sie sagte. Sie durfte sich nicht in
Widersprüche verwickeln. Mit Alfredo hatte sie alles
abgesprochen, was sie in einem solchen Fall sagen wollte. Daß
die Polizei hier aufkreuzen würde, damit war zu rechnen
gewesen.
»Hm… da wäre noch etwas anderes,
Madame…«
»Ja, bitte?«
»Mister Greenich war betrunken. Jedermann hier im Haus –
also Sie und Ihr Gatte nehmen an, daß der Vermißte
wirklich ein Taxi nahm. Aber beschwören könnten Sie es
nicht. Und Ihr Mann wahrscheinlich auch nicht…«
»Das wäre zu befürchten, ja.«
»Ich gehe von der Überlegung aus, daß Mister
Greenich möglicherweise gar kein Taxi genommen hat, sondern hier
blieb.«
Olivia Santieno fuhr zusammen. Sie gab sich auch keine Mühe,
es zu verbergen.
»Wie kommen Sie denn darauf?«
»Mister Greenich hatte viel getrunken… Ihr Gatte nicht
minder. Sie lagen schon im Bett. Greenich verließ das Haus,
vielleicht ging er in die falsche Richtung und hat sich vielleicht
hier im Park irgendwo schlafen gelegt.«
»Aber dann wäre er doch wieder gekommen.«
»Nicht, wenn ihm etwas zugestoßen ist,
Madame.«
Olivia Santieno
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