Macabros 061: Wenn Shimba Loos Todesruf erschallt
und verebbte wieder.
Verblüfft starrten die Männer die Kugeln an. Die Traube
war in wilde Bewegung geraten.
»Shimba-Loo!« war plötzlich eine laute Stimme in
den Gehirnen der Männer. »Er wird euch zu seinen Dienern
machen! Verschwindet von hier, ehe ihr zu Werkzeugen des Bösen
werdet! Vernichtet Shimba-Loo!«
Die Stimme in Morells Gehirn erstarb. Verwirrt blickte er zu den
Kugeln hinüber, die jetzt wieder reglos an dem Tümpel lagen
und an Steine erinnerten.
Die Warnung mußte von den Kugeln gekommen sein, eine andere
Möglichkeit gab es gar nicht.
»Was ist los mit euch?« rief Mirakel zu den seltsamen
Wesen hinüber. »Was hat eure Warnung zu bedeuten?«
Stille… Die Kugeln rührten sich nicht mehr.
Die flehenden Befehle der Kugeln waren widersprüchlich
gewesen. Einerseits hatten sie gebeten, daß Shimba-Loo
vernichtet werden sollte, andererseits hatten sie den beiden
Männern geraten, sofort von dieser Welt zu verschwinden. War das
Kollektiv etwa gespalten?
»Was war das?« fragte nun auch der Fremde, der die
Stimme ebenfalls in seinem Kopf gehört haben mußte.
»Das weiß ich im Augenblick auch noch nicht«,
bekannte Mirakel. »Es scheint aber fast, als hätten wir
doch einige Freunde in dieser ansonsten so feindselig eingestellten
Welt…«
Mirakel sah sich um. Im Augenblick lastete eine drückende
Stille über der ganzen Szene. Lautlos zuckten noch immer Blitze
über den Himmel, und die Sonne schien sich noch um keinen
Zentimeter weiterbewegt zu haben.
»Ich werde versuchen, Ihre Freundin wiederzufinden«,
sagte der Dykte schließlich. »Geben Sie mir Ihre
Hand!«
Der Fremde reichte Mirakel seine rechte Hand, und schon
fühlte er sich emporgehoben. In der nächsten Sekunde sah er
den Urwald schon aus großer Höhe und bemerkte, wie sich
die Wesen darin wie in Zeitlupe zu bewegen schienen.
Die Männer unterhielten sich während des Fluges, und
endlich erfuhr Mirakel, daß er Martin Perts gefunden hatte. Der
Maler war sehr erschüttert, als er erfuhr, welche
dämonische Verwandlung in Frankfurt mit seinen Bildern vor sich
gegangen war.
Sofort erklärte er sich damit einverstanden, sämtliche
Bilder, die er von dieser Welt gezeichnet hatte, vernichten zu
lassen, falls er je wieder hier herauskommen sollte.
Nun berichtete der Maler auch von Ramona und ihrem Verschwinden.
Mirakel hörte aufmerksam zu. Bisher hatte Perts den Vorfall noch
niemand anvertraut, aus Angst, möglicherweise für
verrückt gehalten zu werden.
Seltsamerweise schien die Frau aber auch nicht vermißt zu
werden. Nach dem Vorfall hatte der Maler aufmerksam die Zeitungen
studiert und den Rundfunknachrichten gelauscht. Das Ergebnis war
negativ verlaufen. Niemand suchte Ramona Molinero.
Die beiden Männer tauschten noch ihre Traumerfahrungen aus,
und erstaunt lauschte der Dykte dem historischen Traum, den Perts
gehabt hatte. Immerhin hatten sich in jener Nacht auch in Mirakels
Bewußtsein Bruchstucke dieser Handlung manifestiert.
Das Rätsel schien kein Ende mehr nehmen zu wollen.
Die Echse mit dem Mädchen entdeckten die beiden Männer
nicht mehr. Das Monster schien wie vom Boden verschluckt zu sein.
Mirakel flog längst über der Kraterlandschaft dahin, die
ihm aus seinen Träumen schon so vertraut war. Wie ein
unheimlicher gelber Nebel schwebte eine Wolke aus Schwefelgas
über der Landschaft.
»Ich erinnere mich noch gut an die Szene in dem Gemälde,
als Ramona verschwand«, sagte Perts gerade. »Ich hatte fast
den Eindruck, als hätte die Echse das Mädchen damals in
einen dieser Stalagmitentürme gebracht. Vielleicht ist es Alice
ähnlich ergangen?«
»Kann sein«, erwiderte Mirakel und ging langsam tiefer.
»Aber das werden wir hier gleich sehen!«
Vorsichtig schwebte Mirakel neben einem Turm auf den Boden nieder.
Dabei mußte er höllisch aufpassen, denn die
Schwefeldämpfe gaben ihm von unten her neuen Auftrieb und
drohten ihn gegen die Turmwand zu drücken.
Endlich standen die beiden Männer in dem schmalen Tal
zwischen Turmboden und Kraterwand.
»Ich kann keinen Eingang entdecken«, meinte Martin
Perts, nachdem er sich prüfend umgesehen hatte.
»Abwarten«, entgegnete Mirakel.
Plötzlich entsann er sich, daß er bereits einmal in
dieser Welt gewesen sein mußte. Der Name Shimba-Loo rief diese
Assoziationen in ihm wach.
Es mußte lange her sein – noch weit vor der ersten
Menschheitsexistenz des Dykten. Aber wie lange lag diese Erinnerung
schon zurück?
Tausend Jahre? Fünftausend? Zehntausend?
Es
Weitere Kostenlose Bücher