Macabros 064: Es erwacht der Ursen-Wahn
sollte, selbst wenn es ihm gelang, das Leben
der jungen Unbekannten zu erhalten – das wußte Rani Mahay
selbst nicht.
Wieviel hundert oder tausend Meilen sie vom Festland entfernt
waren – wer konnte das schon sagen? Er hatte weder die Kraft
noch die Ausdauer, eine solche Entfernung zurückzulegen. Das
übertraf die normalen Kräfte jedes Menschen.
Da war es ihm, als ob er was vergessen hätte, was ihm jetzt
plötzlich wieder einfiel.
Er verfügte ja über die Gabe der Teleportation. Wie
hatte er die bloß vergessen können?
Ob die hautnahe Begegnung mit den fremdartigen Ursen dafür
verantwortlich zu machen war, daß ihm plötzlich gewisse
Dinge zu Bewußtsein kamen, die ihm offensichtlich davor
entfielen?
Das Mädchen auf der Tonne hustete und spuckte Wasser. Sie
stöhnte und sagte irgend etwas, was er nicht verstand.
Hier wurde er gebraucht. Er konnte sich nicht einfach aus der
Verantwortung stehlen. Er bedauerte, daß bei ihm die Gabe der
Teleportation nicht so ausgebildet war wie bei Björn Hellmark.
Mahay hatte lediglich die Möglichkeit, sich allein von Marlos an
jeden beliebigen Ort auf der Welt zu versetzen. Aber er konnte
niemand mitnehmen. Und wie gern hätte er dieser Fremden
geholfen…
Gerade für sie wäre Marlos jetzt der richtige Ort
gewesen. Dort herrschten Ruhe und Stille, und die Ursen konnten ihr
nichts anhaben.
Doch das waren Träume. Was sich nicht realisieren ließ,
mußte man mit anderen Mitteln angehen.
Er dachte an Capitano Montez. Auch er war nach der Explosion wie
ein Stein in der Tiefe versunken.
Rani Mahay bedauerte, nur einen Körper und zwei Hände zu
haben. In diesem Augenblick hätte er viele Körper und
Hände gebrauchen können. Hilfe von außerhalb konnte
er nicht erwarten. Er war auf sich allein gestellt.
Konnte er es wagen, die junge, nun zu sich kommende Frau einige
Sekunden allein zu lassen und sich in dieser Zeit auf die Suche nach
Capitano Montez zu begeben, der ebenso hilflos verschnürt vom
Ertrinkungstod bedroht war?
Die Ereignisse nahmen ihm die Entscheidung ab.
Die Veränderung wurde nicht durch die vielen hundert
Ursenflugschiffe hervorgerufen, die in der Dunkelheit auf den Wellen
schaukelten und auf irgend etwas zu warten schienen, sondern durch
das riesige Maul, das unmittelbar neben ihm auftauchte.
Es ging alles so schnell, daß er überrumpelt wurde.
Die Wasseroberfläche spritzte und schäumte. Der Inder
wurde wie von einer Faust gepackt und weggerissen von der Tonne, an
der er sich noch festzukrallen versuchte. Rani Mahay flog
förmlich über die Wasseroberfläche hin und
näherte sich dem gigantischen Maul, das dem eines
überdimensionalen Haifischs glich.
Da war wieder das Unterseeboot der Ursen.
Mit gewaltigen Wassermengen wurde sowohl der Inder als auch die
Tonne mit der angebundenen Conchita Funchal in den Schlund
gezogen.
Mahay überschlug sich mehrmals. Mit ihnen fanden auch
Holzsplitter und andere auf der Wasseroberfläche schwimmende
Utensilien von der ESMERALDA ihren Eingang in das riesige
Metallmaul.
Der Schlund mündete in einen Stollen, der wiederum in ein
Becken. Dort wurde alles gesammelt. Dies war in der Tat ein riesiges
Auffangbecken, in dem sie zwischen Tang, Fischen, zersplitterten
Planken, leeren Flaschen, Konservendosen und Muscheln sich
wiederfanden.
Zwischen Unrat und Seepflanzen tauchte der Inder auf. Wie ein
riesiger Staubsauger zog das Gigantenmaul alles in sich hinein und
sammelte es hier in diesem Becken.
Dann hörte der Strom des hereinbrechenden Wassers
plötzlich auf. Das Maul schloß sich. Am Rand des Beckens,
zwischen den Planken, Lappen und Dosen, schaukelte etwas Dunkles,
Längliches.
Capitano Montez!
Mahay zögerte nicht, ihm die Fesseln zu entfernen und alles
zu tun, auch diesem Mann zu helfen.
Montez lebte. Er atmete schwach, unregelmäßig, und sein
Puls war kaum fühlbar.
Ein ungeheures Dröhnen erfüllte das Innere des
Schiffsleibes.
Das U-Boot ging auf Tauchstation.
Das Wasser in dem Becken schwappte wild. Schmutziger Schaum
sammelte sich an den Rändern, tote Fische wurde teilweise
hinausgeschleudert auf den glatten Metallboden, der, schmal und
terrassenförmig gestuft, dieses Auffangbecken umgab.
Sie waren abermals Gefangene der Ursen.
Mit dem Riesenschiff ging es hinab in unerforschte Tiefen des
Meeres. Hier waren die Fischgesichtigen – seit einiger Zeit
– zu Hause.
Benommen und erschöpft unterbrach der Inder schließlich
seine Maßnahmen zur Rettung des spanischen Capitanos,
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