Macabros 066: Die Monsterstürme von Kh'or Shan
Fingerkuppen berührten die glatte, feucht schimmernde
Haut.
Björn ließ es absichtlich auf diesen Versuch ankommen.
Ein seltsamer Verdacht war ihm gekommen, der ihn ständig
beschäftigte.
Anfangs war er wie ein Feind behandelt worden, aber dann
ließ man ihn in Buhe. Wenn diese grausam aussehenden
Geschöpfe wirklich die Absicht gehabt hätten, ihn zu
töten – sie hätten während seiner langdauernden
Bewußtlosigkeit dazu die Möglichkeit gehabt.
Er erwartete, daß unter seiner tastenden Berührung das
Wesen zumindest zusammenfuhr oder sein Teleskopauge auf ihn richtete.
Doch weder das eine noch das andere ereignete sich. Das Geschöpf
blieb wie tot vor ihm stehen.
Mit ihrem Schlaf mußte es etwas Besonderes auf sich
haben.
Björn fühlte sich veranlaßt, seine Gedanken zu
revidieren. Konnte es sein, daß er der Besonderheit ihrer
Schlafgewohnheiten sein Leben zu verdanken hatte? Waren sie
möglicherweise daran gehindert worden, ihre ursprüngliche
Absicht in die Tat umzusetzen?
Dann war es um so wichtiger, sich keine Sekunde länger als
notwendig hier aufzuhalten. Er wußte nichts über das Leben
dieser Monster, die wie eine Vision in sein Leben getreten waren und
mit keinem Wort im Buch der Gesetze aus dem fernen Xantilon von den
Propheten und Weißen Priestern erwähnt wurden.
Er ging an der Reihe der Monstertürme vorüber. Er
zählte insgesamt achtundvierzig Stück.
Dann erreichte er einen anderen Durchlaß, der in einen neuen
Raum führte. Auch der war kahl und metallen – aber da lag
jemand auf dem Boden.
Die Gestalt war grau und schuppig, die Haut schon eingetrocknet,
als ob sie einer enormen Hitze ausgesetzt worden wäre.
Nur drei Schritte von Hellmark entfernt lag ein toter Urse vor
seinen Füßen. Auch die Fischgesichtigen hatten Eintritt
hier in diese unterseeische Station.
Waren sie Freunde oder Feinde dieser Monsterwesen?
Der Fragen wurden plötzlich mehr…
Björn Hellmark ging in die Hocke und sah sich den Toten aus
nächster Nähe an. Der mußte schon lange hier liegen.
Die Haut war vollkommen trocken und spröde und spannte sich
pergamentartig wie eine Mumie über die dünnen,
durchscheinenden Knochen.
Wie kam der Urse hierher?
Gab es einen direkten Zugang zu den Unterkünften dieses
Unterseevolkes?
Der Verdacht lag nahe…
Hellmark ließ den Blick in die Runde schweifen. Mit dieser
sterilen, metallenen Welt konnte er sich einfach nicht
anfreunden.
Warum hatte man ihn hierher geschleppt und ließ ihn jetzt
einfach herumlaufen?
Gerade diese Frage drehte sich wie ein Karussell ständig in
seinem Kopf.
Da nahm er eine Bewegung aus den Augenwinkeln heraus wahr.
Hellmark schraubte sich aus der Hocke blitzschnell in die
Höhe und wirbelte herum.
Einer der Monstertürme bewegte sich!
Es handelte sich um den äußersten, dessen massigen,
plumpen Leib er gerade noch neben dem Durchlaß zum anderen Raum
wahrnehmen konnte.
Im ersten Moment schien es so, als ob der Monsterturm sich
seitlich wegdrehen wollte, um auf Hellmark zuzukommen.
Aber in der Bewegung wurde er wie von einer unsichtbaren Hand
zurückgehalten.
Hellmark sprang nach vorn.
Seine Augen weiteten sich, als er sah, was sich da vor ihm
abspielte.
Der Monsterturm – begann zu schrumpfen.
Jetzt war er noch so groß wie Hellmark, jetzt noch halb so
groß, jetzt etwa dreißigZentimeter… rasend schnell
schritt der geheimnisvolle Schrumpfungsprozeß fort, und er
wirkte sich nur bei diesem einen Exemplar aus.
Was hatte das zu bedeuten?
Da war etwas Neues, was Hellmarks Aufmerksamkeit in Anspruch
nahm.
Ein Geräusch. Schrill und kreischend hallte es über ihn
hinweg.
Die Decke über ihm riß auf, als ob jemand einen
gewaltigen Bohrer angesetzt hätte, um sich dort Eingang zu
verschaffen.
Das Metall kreischte. Wie die Schalen einer Apfelsine wurden Teil
der Decke nach innen gedrückt. Ein kurzer, starker Wasserstrahl
schoß nach unten, als ob jemand einen Schlauch auf ihn
gerichtet hielt.
Der Strahl traf Hellmark mitten ins Gesicht und mit solcher Wucht,
daß er unwillkürlich zwei Schritte nach hinten
auswich.
Dennoch wandte er nicht den Blick von der Stelle dort oben.
Mit dem Wasserstrahl wurde etwas hereingetragen in diese
fremdartige Umgebung.
Und als dieses Etwas dann aufgeregt wie ein Vogel flatterte und
eine Reihe bekannter und unbekannter Schimpfworte von sich gab, das
»Bohrloch« passiert hatte, ereignete sich etwas nicht
minder Merkwürdiges.
Das nach innen gedrückte Metall wurde wie von
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