Macabros 070: Eissturmland des Drachenkönigs
vor, daß Snickers
oft tagelang unterwegs war, um jemand in einer bestimmten Sache, die
ihn nicht losließ, auf den Zahn zu fühlen. Genau genommen
war es bei Brownen nicht anders. Wenn er mal einer Sache auf der Spur
war, brachte ihn niemand so schnell wieder davon ab.
Das hatte sich in den meisten Fällen bezahlt gemacht.
Nachher, wenn er seine Sendung aufgegeben hatte, wollte er sich
nochmal auf der »Conetti-Farm« umsehen, um die Spuren der
vergangenen Nacht bei Tageslicht näher unter die Lupe zu nehmen.
Vielleicht fand er doch das eine oder andere, das ihm weiterhalf.
Nach der dritten Tasse Kaffee fühlte er sich topfit.
Joe Brownen wartete noch die Morgenpost ab und ließ sich vom
Lift hinuntertragen, um gegen neun Uhr seinen Briefkasten an der
Haustür zu öffnen.
Wie immer befand sich darin ein ganzer Packen Briefe,
Ansichtskarten von Freunden und Freundinnen, die ihm aus dem Urlaub
schrieben und zu erkennen gaben, daß sie es bedauerten,
daß er nicht dabei sein könne sowie einige Umschläge
mit Firmenaufdruck, die er jedoch oben in seiner Wohnung gleich auf
die Seite schob. Das hatte Zeit. Darin befanden sich unbezahlte
Rechnungen…
Brownen sah alle Post sofort durch. Es war ein neutraler Umschlag
dabei, der keinen Absender trug.
Als er ihn mit dem Brieföffner aufschlitzte, fand er nur
einen Zettel mit wenigen Zeilen sowie ein Flugticket.
»Wir hatten von Ihrem Flug nach Tokio gesprochen. In der
Anlage finden Sie ein Flugticket, das Sie dafür benötigen.
Wir rechnen fest damit, daß Sie die Maschine, die um
fünfzehn Uhr zwanzig startet, in Anspruch nehmen.«
»Das ist eine Frechheit«, entfuhr es Joe Brownen
unbeherrscht. »Das gibt es doch nicht!«
Was er für einen Traum gehalten hatte, ragte hinein in sein
reales Leben…
Er las den Text mehr als dreimal, kniff sich in den Oberarm und
spürte den Schmerz. Es gab keinen Zweifel daran… Er war
hellwach!
Da schlug das Telefon an.
Wie unter einem Peitschenschlag fuhr Brownen zusammen.
Er hob ab und meldete sich, und seine Miene wirkte wie aus Stein
gemeißelt, als er die Stimme am anderen Ende der Strippe
vernahm.
»Hallo, Mister Brownen! Da bin ich wieder. Ich nehme an, Sie
haben schon auf meinen Anruf gewartet.«
Es war die Stimme, die letzte Nacht zu ihm gesprochen hatte.
In Brownens Nacken richteten sich die Haare auf.
»Ich nehme an, Sie haben unseren Brief schon bekommen«,
fuhr der andere kühl und gelassen fort.
»Ja, gerade.«
»Na, wunderbar. Dann geht ja alles in Ordnung. Wir sehen uns
dann in Tokio…«
Joe Brownen lachte leise. »Sie stellen sich das alles
ziemlich einfach vor.«
»Weil es einfach ist, Mister Brownen. Sie wollen ein
Rätsel lösen, und wir geben Ihnen die Möglichkeit
dazu, es ohne Risiko zu tun. Was wollen Sie mehr?«
»Vor allem – mehr wissen.«
»Sie sind ein merkwürdiger Zeitgenosse«,
mußte er sich sagen lassen. »Auf der einen Seite suchen
Sie nach Aufklärung – auf der anderen Seite sind sie nicht
bereit, etwas dafür zu tun. Nun gut! Wenn Sie nicht wollen, dann
haben wir uns eben in Ihnen getäuscht. Es gibt andere Kollegen,
die sich mit dem gleichen Phänomen befassen und mehr über
die Geschichte wissen wollen, die sich auf der Farm abgespielt hat.
Sie werden es Ihr Leben lang bereuen.«
»Einen Moment bitte!« hörte Brownen sich zu seiner
eigenen Überraschung sagen. »Wenn Sie mir nur erklären
wollten, woher Sie wissen, daß ich mich…«
»… daß Sie sich für die Vorgänge
interessieren?« fiel der Anrufer ihm ins Wort. »Ganz
einfach! Menschen, die sehr intensiv über eine bestimmte Sache
nachdenken, setzen dabei – ohne, daß das ihnen
bewußt wird – etwas in Gang, das von anderen, die
dafür prädestiniert sind, aufgenommen wird. Und es gibt
einen Gedanken in Ihrem Denkprozeß, der uns auf Sie aufmerksam
gemacht hat. Es ist noch gar nicht so lange her, da dachten Sie etwa
folgendes: ›Ich gäbe einiges dafür, um einen Zipfel
des Geheimnisses zu lösen…‹ Nun können Sie
zeigen, was in Ihnen steckt.«
»Okay«, stieß Brownen plötzlich hervor.
»Ich werde reisen!«
»Ich habe auch mit gar keiner anderen Entscheidung bei Ihnen
gerechnet, Brownen. Und Sie werden tun, was wir von Ihnen verlangen,
nicht wahr?«
Die Schatten der Nacht kehrten zurück. »Sie
meinen…«, er wagte nicht, die nachfolgenden Worte
auszusprechen. Doch sie hämmerten in seinem Hirn, und er konnte
die brennenden Gedanken nicht einfach zurückweisen.
»Wir erwarten, daß Sie einen Mann
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