Macabros 074: Krypta der Regenbogen-Menschen
Augen.
Knapp eine Stunde später kam schon der Privatdetektiv aus der
Tür. Er hatte es ziemlich eilig, sich von dem befreundeten
Fotografen zu verabschieden.
Der blaue Ford stand etwa fünfzig Schritte von dem
Geschäft entfernt auf der anderen Straßenseite, wo auch
Mahay sich aufhielt.
Nur hier gab es keine Parkmöglichkeiten, weil selbst das
Halten in der engen Gasse verboten war.
Geduckt lief der muskulöse Inder um die Hausecke und torkelte
dem Ankommenden entgegen, der vergebens versuchte, Rani
auszuweichen.
»Gehen Sie mir aus dem Weg«, sagte der Privatdetektiv.
Er war ein dunkelhaariger Mann, der Mahay gerade bis zur Brust
reichte. Er wirkte flink, hatte dunkle, listige Augen und sah aus wie
ein Manager.
»Aber natürlich gern. Sie müssen nur ein wenig zur
Seite gehen«, lallte der Inder mit schwerer Zunge. Rani Mahay
spielte den Betrunkenen perfekt. Er klammerte sich an sein
Gegenüber, daß der Mann an die Hauswand taumelte.
»Taxi! Haben Sie ein Taxi?« wollte Rani wissen.
»Nein. Ich habe kein Taxi. Aber wenn Sie wollen, werde ich
Ihnen gern eines besorgen. Allerdings wäre das wohl eher Sache
des Wirts gewesen, in dessen Gasthaus Sie sich die ganze Zeit
über aufgehalten haben.«
Der Inder winkte ab. »Oha, das ist leichter gesagt als getan.
Ein Gasthaus? Dann wäre es bestimmt einfach gewesen. Aber
ich… hicks… habe mich in mehreren aufgehalten. Da waren die
Wirte nicht zuständig. Aber Sie, verdammt noch mal, das
muß ich an dieser Stelle sagen, Sie sind ein feiner
Kerl!«
Mit diesen Worten klopfte Rani Mahay kräftig auf die Schulter
seines Gönners, der unter dem Druck seiner Hand fast
zusammenbrach. Sich dankbar verbeugend trat der Inder dann
zurück und meinte: »Vielen Dank, Mister, ich werde hier an
der Hausecke warten. Sie besorgen mir wirklich ein Taxi, nicht
wahr?«
Der Privatdetektiv nickte, löste sich von der Hauswand und
war sichtlich erleichtert, so glimpflich davongekommen zu sein.
Die ganze Szene hatte nicht länger gedauert, als eine halbe
Minute.
Rani stierte dem Davongehenden nach und sah, wie der vom Parkplatz
wegfuhr und es ziemlich eilig hatte, sich vom Ort des Geschehens zu
entfernen.
Rani lachte sich ins Fäustchen. Sein Plan war
geglückt.
In der allgemeinen Verwirrung hatte der Privatdetektiv nicht
gemerkt, wie die Hand des Inders in die enge Tasche seines Jacketts
gefahren war und dort die frischen, nicht ganz getrockneten Bilder
ertastet hatte.
An dem irritierten und seltsamen Gesichtsausdruck, der auf dem
Gesicht des Privatdetektivs beim Verlassen des Geschäftshauses
lag, las Rani den günstigen Zeitpunkt für seine Aktion
überhaupt ab.
Es waren insgesamt drei Fotos in Postkartengröße, die
er in Händen hielt und betrachtete.
Bild Nummer eins und zwei waren farbschwach, als wären die
Motive durch undurchdringlichen Nebel aufgenommen.
Mit einiger Phantasie jedoch ließen sich die schemenhaften
Umrisse hinter der Nebelbank deuten.
Da waren die Umrisse von gewaltigen Urwaldbäumen und
Büschen, davor auf einer etwas abfallenden Lichtung sanfter
Feuerschein, eine Glut, die von einem erlöschenden oder gerade
erst sich bildenden Feuer rührte. Davor verwaschene Schemen, die
sich nicht identifizieren ließen. Ein ebensolcher Schattenfleck
links im Vordergrund.
Mahay betrachtete die zweite Aufnahme, die sich von der ersten
kaum unterschied.
Aber die dritte hatte es in sich!
Alles wies darauf hin, daß mit dem offenbar illegal
erbeuteten Fotoapparat aus dem Fahrzeugwrack, etwas Bestimmtes
geschehen war. Während oder vor dem Unfall hatte die
automatische Kamera mehrere Bilder einer Serie geschossen. Rani
neigte aufgrund des Motivs, das er nun betrachtete, eher zu der
Annahme, daß während des Unfalls im Augenblick des
Ereignisses die Kamera sich von selbst ausgelöst hatte.
Er hatte die Negativstreifen nicht gesehen, konnte sich jedoch
lebhaft vorstellen, daß auf den ersten Originalabzügen
noch einiges mehr darauf gewesen war. Möglicherweise der
Fensterrahmen oder die Seitenholme. Für ihn bestand kein Zweifel
daran, daß es sich bei diesen Motiven schon um
Ausschnittvergrößerungen handelte.
Das dritte Bild war das einzige, das einigermaßen erkennen
ließ, was aufgenommen werden sollte.
Es war der Blick auf eine Dschungellichtung.
Links im Vordergrund auf einem schweren, steinernen Thron
saß in stolzer Haltung eine bildschöne, nackte Frau, die
goldene Armreifen, Oberarmspangen und bis zu den Waden
hochgeschnürte goldene Schuhe trug.
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