Macabros 074: Krypta der Regenbogen-Menschen
hätte verursachen
können, die Maschine ist völlig leer.«
*
Pepe, Björn Hellmarks und Carminia Brados Adoptivsohn aus den
Urwäldern Yukatans, schlenderte am weißen Strand
entlang.
Auf der unsichtbaren Insel Marlos herrschte ewiger Frühling
und vor allem immer Tag. Marlos kannte keine Nacht.
Der dunkelgelockte Junge warf einen Blick zurück in die
Bucht, wo ein aus einem Baumstamm gearbeitetes Boot seiner Vollendung
entgegenging.
Jim, der Guuf, und Arson, der Mann mit der Silberhaut, der
ebenfalls noch auf Besuch weilte und dessen Abschied unmittelbar
bevorstand, legten letzte Hand an. Dem jungen Kugelkopf, der zusammen
mit Pepe die meiste Arbeit an dem Einbaum geleistet hatte, schien
besessen von dem Gedanken, sein Tun so schnell wie möglich zu
beenden und mit dem Boot die Insel zu umrunden.
Bis vor wenigen Minuten war auch Pepe noch mit von der Partie
gewesen. Er hatte von Arson eine neue, empfindsame Melodie
gehört, die er unbedingt auf der Gitarre spielen wollte. Zu
diesem Zweck zog er sich etwas abseits zurück, um ungestört
zu sein.
Er war auf dem Weg zu seinem Lieblingsplatz, einer kleinen, etwas
höher gelegenen Bucht, von der aus man einen vortrefflichen
Blick über die Weite des Meeres und die sanfte Landschaft der
Insel hatte, die das Erbe Björn Hellmarks war.
Dort oben in einer Nische befand sich auch Pepes Gitarre.
Auf halbem Weg tauchte plötzlich Camilla Davies auf.
Das Medium aus London, das seit geraumer Zeit ebenfalls auf Marlos
wohnte, kam wie ein Geist aus dem Nichts.
Camilla war weniger als eine Steinwurfweite von Pepe entfernt.
»Hallo, Pepe«, rief sie. »Ist Björn in der
Nähe?«
»Nein, Camilla. Der ist ausgeflogen.«
»Und wohin?«
Der Mexikanerjunge kam auf die zierliche junge Frau zu.
»Möchtest du ihn sprechen?« fragte er, statt auf
Camillas Frage eine Antwort zu geben.
»Ja. Es ist sehr wichtig.«
»Hast du jemand gefunden?« Pepes Augen wurden
groß.
»Es scheint so, Pepe. Es handelt sich um einen Mann, der
imstande ist, aus allen Teilen der Welt Bilder und Szenen zu
empfangen, die ohne, daß er es sich erklären kann, auf
lichtempfindlichem Papier fotografisch festgehalten werden. So kann
er zum Beispiel mitten in New York stehen. In Gedanken sieht er
jedoch – dies soll ebenfalls nur ein Beispiel sein – die
Towerbrücke in London. Auf dem Film, den er in einem Fotoapparat
bei sich hat, wird nicht das Empire State Building zu sehen sein,
sondern die Towerbrücke. Es gibt viele Leute, die über eine
ähnliche Gabe verfügen. Doch das Besondere an jenem Mann,
den ich entdeckt habe, ist daß sich nicht nur Bauwerke,
Straßen, Brücken und dergleichen auf dem Fotopapier nach
der Entwicklung wiederfinden, sondern auch Menschen und Ereignisse,
die eindeutig zu erkennen sind. Dabei ist eines höchst
merkwürdig und von besonderem Interesse für Björn. Die
Menschen und Ereignisse zeigen sich nicht in dem Moment, da das Bild
entsteht, sondern sie entstehen gewissermaßen im ›Vorgriff
auf die Zeit‹. Das heißt – es sind tatsächlich
zukünftige Ereignisse, zukünftige Passanten, die sich an
dieser oder jener Stelle zeigen und die praktisch durch den Geist
dieses Mediums schon fotografisch festgehalten werden. Dies ist eine
Sache. Eine zweite kommt hinzu. Auch die Schwester dieses Mannes ist
aufs höchste medial begabt. Sie ist eine automatische
Schreiberin. Sie empfängt Botschaften von Menschen, die einst
lebten und sich nun im Jenseits aufhalten. Tausende von
handgeschriebenen Seiten sind bereits entstanden und befinden sich in
ihrem Besitz. Bisher sind die Frau und der Mann noch nicht in der
Öffentlichkeit in Erscheinung getreten. Ihre Entdeckung verdanke
ich einem Zufall. Sie leben äußerst zurückgezogen,
sind menschenscheu und haben Angst, daß Feinde auftauchen und
sie wie Marionetten benützen würden. Sie fühlen sich
beobachtet und belauscht und wissen um die unsichtbaren Feinde, die
auf ihre Stunde warten. Diese Menschen brauchen unsere
Hilfe.«
»Ich weiß, wo Björn ist«, kam es über
Pepes Lippen, kaum daß Camilla geendet hatte. »Warte einen
Augenblick hier, ich hole ihn rasch.«
Er wußte nur zu gut, daß Björn es nicht
schätzte, wenn er sich auf eine unnötige Weise in Gefahr
begab. Er hatte nichts dagegen, wenn er, Jim, oder sie alle gemeinsam
die Insel verließen, um irgendwo einen Stadtbummel zu machen.
Aber er hatte strenge Grenzen gesetzt und verlangte, daß sie
sich hier auf Marlos aufhielten, wenn ihn ein Abenteuer
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