Macabros 076: Ruf ins Vergessen
groß…
jetzt eineinhalb… jetzt nur noch eine Winzigkeit, ein dunkler
Fleck auf dem Boden, der sich zwischen dem Gras nicht mehr
abhob…
Und dann war der Tote verschwunden! Er war so sehr geschrumpft,
daß er mit bloßem Auge nicht mehr zu erkennen war.
»Die Polizei ist da!« rief da die junge Spanierin von
der Terrasse des Hauses, durch das sie kam. »Nun wird sich alles
aufklären. Wo ist der Tote?« fragte sie plötzlich
überrascht.
»Keine Ahnung«, antwortete achselzuckend und mit
tonloser Stimme einer der Männer. »Er ist
verschwunden… er muß irgendwo da zwischen dem Gras liegen,
aber so winzig klein, daß selbst eine Erdkrume ein Universum
für ihn ist. Wenn wir das den Polizisten erzählen, werden
sie uns glatt für verrückt halten. Es ist nichts mehr da
von ihm! Nicht die geringste Spur! Selbst die Blutlache ist so klein
geworden, daß man sie mit bloßem Auge nicht mehr sehen
kann…«
*
»… es hat einige Zeit gedauert, bis wir es wagen
konnten, diese persönliche Begegnung einzuleiten«, sagte
der Amerikaner zu Frank Morell.
Das Hotelapartment Dr. Chancers bestand aus Schlaf- und Wohnraum,
Bad und Toilette. Der Schlafraum war durch einen Vorhang vom Zimmer
getrennt, in dem sich Frank und sein Gastgeber aufhielten.
Eine schwere, ausladende Polstergarnitur bestimmte die Einrichtung
des Zimmers. Der Marmortisch war niedrig, und ein großer
Aschenbecher stand darauf. In der Ecke hinter Morell brannte eine
Stehlampe mit einem bernsteinfarbenen Pergamentschirm. Die
Vorhänge am Fenster waren nicht zugezogen. Schwarz und
sternenlos war der Abendhimmel über Frankfurt.
»Das ist nur gerechtfertigt«, nickte Morell. »Sie
werden eine Zeit gebraucht haben, um sicher zu sein ob ich derjenige
bin, den Sie zu Ihrem Gesprächspartner machen wollen…«
fügte er lächelnd hinzu.
Chancer nickte. Er war ein Mann, der ernst und nachdenklich
wirkte. Eine gerade, etwas zu große Nase bestimmte den Ausdruck
seines Gesichts. Sein Kinn war energisch und verriet die Kraft, die
in ihm steckte. Chancer wußte genau, was er sollte, und nahm
mit voller Energie eine Sache in Angriff und zog sie durch.
»Das war ein Grund, Mister Morell. Auf der einen Seite
durften wir nichts übereilen, andererseits jedoch war es
notwendig, so schnell wie möglich zu erkennen, ob es Sie
wirklich gibt oder nicht. Ein Mensch, der fliegen kann! Ein uralter
Menschheitstraum… Wir haben in den letzten Jahren viel
dazugelernt und erkannt, daß man eigentlich nichts abstreiten
kann. Man kann etwas in Frage stellen, das ist alles. Dann aber
beginnt die Kleinarbeit, um Erkenntnisse zu sammeln, um Beweise zu
erhalten… Und gerade für uns, deren Mission unter
Geheimhaltungsstufe 1 läuft, stellen sich da stets die
größten Probleme. Wir wissen um die Tatsache, daß
Dämonen manipulieren, daß sie von Menschen seelisch,
geistig und nicht selten auch körperlich Besitz ergreifen. Die
alten Geschichten von den Besessenen, die schon in der Bibel ihren
Niederschlag fanden, gehen schließlich auf tatsächliche
Begebenheiten zurück. Aber auch die Dämonen haben
gelernt.«
Frank Morell nickte zu Chancers Worten. »Wem sagen Sie das.
Ich hatte mehr als einen Zusammenstoß mit ihnen, ich
weiß, wie geschickt sie es heute verstehen, sich zu tarnen.
Jahrtausende des Lernens wirken sich schließlich aus. Wir
mußten ganz sicher sein, daß Sie nicht zu ihnen
gehören, sondern ihr erklärter Gegner sind. Wir müssen
deshalb so vorsichtig sein, weil wir wissen, daß
dämonische Schergen schon in höchsten Stellen sitzen und
kaum noch zu entlarven sind. Satanische Diener beherrschen
entscheidende Machtpositionen, und ihr Einfluß wirkt sich
überall aus. Wir wissen heute, daß es nicht immer
menschliche Entscheidungen sind, die dies oder jenes
herbeiführen und die eben nicht dazu angetan sind, das
Zusammenleben zwischen den verschiedenen Völkern zu
fördern.«
Die beiden Männer unterhielten sich ausführlich
über die anstehenden Probleme.
Beide waren froh, daß dieses Zusammentreffen in einer so
klaren und freundschaftlichen Atomsphäre stattfand.
Zum ersten Mal in seinem Leben war Frank Morell bereit, von seinen
außergewöhnlichen Fähigkeiten, über die er als
Dykte verfügte, zu berichten. Außer Dr. Kurt Felkmann,
jenem freipraktizierenden Psychiater und Hypnotiseur, der seine
Träume deutete und in Tiefenhypnose seine Erinnerung
bewußt machte, hatte er keinem etwas von seinen besonderen
Lebensumständen geschildert.
Dr.
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