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Macabros 076: Ruf ins Vergessen

Macabros 076: Ruf ins Vergessen

Titel: Macabros 076: Ruf ins Vergessen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Shocker
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seine
neue Existenz dachte, als sich seine Augen plötzlich
weiteten.
    »So sehen Sie doch!« entrann es seinen erbleichenden
Lippen.
    Sein Gesicht war dem dunklen Fenster zugewandt. Er starrte hoch in
den dunstigen Himmel über dem Hotel.
    »Da ist jemand… mein Gott… was hat das zu
bedeuten?« Er verlor plötzlich die Fassung.
    Er saß da wie ein hypnotisiertes Kaninchen.
    Frank Morell riß schon bei den ersten Worten seines
Gesprächspartners den Kopf herum und blickte durch das
Fenster.
    Der Dykte hielt den Atem an.
    Am Himmel vor dem Fenster wuchs aus dem düsteren Hintergrund
des Himmels ein riesiges Gesicht. Es war ein gewaltiges Hirn, das
unter einer dünnen Haut pulsierte und von zahllosen, dünnen
Gefäßen durchsetzt war. Sie sahen aus wie ein
Geflecht.
    Darunter wirkte das uralte, runzlige Gesicht winzig und verloren,
obwohl es im Vergleich zu einem menschlichen Antlitz dort am Himmel
sekundenlang so groß war wie der Mond, der von der Seite her
aus einer Wolkendecke brach und sein fahles, geisterhaftes Licht auf
den unheimlichen Kopf warf.
    Frank Morell sprang auf, als hätte eine Tarantel ihn
gebissen.
    Dis schmalen Lippen, die in dem faltigen Antlitz nur einen
hauchdünnen Strich bildeten, bewegten sich kaum merklich.
    Und dann wurde die wispernde, unendlich ferne Stimme mitten im
Raum, schien aus jeder Mauerritze, aus den halbdunklen Ecken zu
kriechen und war überall.
    »Komm’… komm’ zu mir… Ich warte auf
dich… Ich bin Othh…!«
     
    *
     
    Nicht nur Morell war es, der diesen gewaltigen Kopf wie einen
zweiten Satelliten am nächtlichen Himmel über Frankfurt
sah, es gab noch jemand, der ihn in diesem Moment voller Entsetzen
wahrnahm.
    Das war Ajit Lekarim.
    Der geheimnisvolle Inder stand zwei Schritte vom Zimmerfenster Dr.
Chancers entfernt, mit dem Rücken gegen die Hauswand
gepreßt. Mit den Füßen hatte er festen Halt auf
einem breiten, umlaufenden Sims, das an der Hausecke neben Chancers
Zimmer endete.
    In der Nische neben der Ecke lag das Zimmer, in dem er mit Siddha
untergebracht war.
    Es war ihm zu gefährlich gewesen, den Weg um die Ecke zu
machen. Da hatte er lieber den Ausstieg aus der Wäschekammer
benutzt, um sicher ans Ziel zu gelangen.
    Es bereitete ihm keinerlei Schwierigkeiten, auf dem Mauersims in
der schwindelerregenden Höhe des elften Stockwerks über
etwa zehn Meter Länge zu jenem Fenster zu laufen, wo er sich
durch das Gespräch zwischen Chancer und Morell neue und wichtige
Informationen versprach.
    In der Welt befand sich alles in stetiger Bewegung. Wollte er
seine Mission erfolgreich zu Ende führen, mußte er
über den neuesten Stand der Dinge informiert sein. Es gab
für ihn nur diese eine Chance, diesen verhaßten Dykten
endlich dahin zu befördern, wohin er gehörte und von wo es
für ihn keine Rückkehr mehr gab.
    Denn Ajit Lekarim war der Schlüssel für die Vernichtung
Frank Morells alias Mirakels.
    Nur einige Sekunden tauchte der riesige Kopf am Himmel über
Lekarim auf.
    Der Kopf saß zwischen zwei schmalen Schultern, über die
sich ein schwarz-violettes Gewand spannte, das mit einem
voluminösen Stehkragen versehen war.
    Die untere Körperhälfte schien in der Schwarze des
Himmels zu stecken wie in einem Meer aus schwarzer Watte.
    Lekarim erbleichte.
    Wie ein elektrischer Schlag ging es durch seinen Körper. Der
Inder hatte offensichtlich nicht mit dem Erscheinen dieses riesigen,
unheimlich wirkenden Schädels gerechnet.
    Lekarim machte eine ruckartige Bewegung, drehte den Kopf ab,
riß seine Hände empor, und schlug sie vor die Augen, als
müsse er sich wie vor einer plötzlichen, grellen
Lichteinwirkung schützen.
    Dies wurde ihm zum Verhängnis.
    Er verlor den Halt und kippte nach vom.
    Da gab es nichts mehr, woran er sich festhalten konnte. Instinktiv
noch löste er beide Hände von seinem Gesicht, krallte nach
dem Sims und berührte ihn auch – aber er rutschte weg und
stürzte schwer wie ein Stein in die Tiefe.
    »Aaaaggghhh!« hallte der schaurige Schrei durch die
Häuserschlucht, als der Körper nach unten fiel.
    Da war Frank Morell am Fenster zu Dr. Chancers Apartment und
riß es auf.
    Kühl fächelte die Nachtluft sein erhitztes Gesicht.
    Der Schrei gellte in seinen Ohren. Mit seinen sensiblen,
überempfindlich reagierenden Dyktensinnen hörte er weitaus
besser, als es mit einem normalen menschlichen Gehör
möglich gewesen wäre.
    Durch die Luft fiel ein Mensch! Er überschlug sich mehrmals,
ruderte wild mit Armen und Beinen, als könne er

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