Macabros 086: Die Horron-Barbaren
du
weißt… Er hat sich auf die ›Young Love‹ begeben
und hält sich seither dort auf, unternimmt gratis eine
Kreuzfahrt, der schlaue Kerl… vielleicht hat er noch eine freie
Kabine gefunden.«
»Vielleicht ist aber auch alles ganz anders«, murmelte
Carminia. »Gibt es offizielle Verlautbarungen über die
Fahrt des Schiffes?«
»Die letzte habe ich heute abend gelesen. Die ›Young
Love‹ bewegt sich Richtung Bahamas… an Bord soll alles
wieder in Ordnung sein.«
»Heißt es offiziell…, offiziell aber wurde auch
nichts von dem Zwischenfall mit dem Tiefsee-Monster mitgeteilt, nicht
wahr?«
»Nein«, schüttelte der Mann den Kopf. »Durch
einen codierten Funkspruch haben meine Leute davon gehört –
dies war Ranis Ausgangsposition, wie du weißt…«
»Ich nehme an, dir ist die augenblickliche Position der
›Young Love‹ bekannt, Rich?«
»Natürlich. Seit Ranis ›Sprung‹ nach dort
rechne ich den Kurs ständig nach.«
Er nahm die Seekarte aus einer Schublade seines Schreibtisches und
breitete sie aus. Mit Leuchtschrift waren Markierungszeichen von Hand
angebracht. Sie zeigten den genauen Verlauf der Route.
»In Charleston hat das Schiff angelegt«, erklärte
Patrick. »Es befindet sich nach der normalen
Reisegeschwindigkeit nun etwa auf dem 78. Längengrad Richtung
Süden, 27 Grad östlicher Breite… das wäre etwa
auf der Höhe einer gedachten Linie Richtung St. Augustine…
Diese Stadt an der Ostküste Floridas sollte nach dem
ursprünglichen Plan angelaufen werden. Aber der Kapitän hat
sich entschieden, die Grand-Bahama-Insel nun doch direkt
anzulaufen.«
Carminia prägte sich den Fixpunkt genau ein, an dem sich das
Schiff aufgrund seiner Geschwindigkeit befinden mußte.
Sie besprach die Position mit Patrick eingehend.
»Du willst es wirklich wagen, nicht noch abwarten?«
Carminia schüttelte den Kopf. »Nein, Rich. Wozu. Wir
haben schon viel zu lange gewartet, weil wir gezwungen waren,
stillzuhalten, weil wir nichts unternehmen konnten. Unsere Situation
ist nun anders. Ich brauche Gewißheit über Ranis Vorgehen,
um die Möglichkeit eines Weges nach Horron, wo immer das auch
liegen mag, zu prüfen. Ich will die Aussichten unter die Lupe
nehmen, die ein solches Unterfangen mit sich bringen.«
»Ich kann dich nur zu gut verstehen, Carminia. Nimm mich
mit…«
»Nicht gleich, Rich. Aber ich werde dich holen, sobald ich
die ›Young Love‹ erreicht habe und weiß, ob wirklich
alles in Ordnung ist, wie man allgemein glaubt. Ich fürchte
nämlich, daß dem nicht so ist. Ranis Schweigen irritiert
mich. Er wäre längst zurückgekommen und hätte dir
oder den auf Marion Zurückgebliebenen eine Nachricht
überbracht. Nur jemand, der keine Gelegenheit hat, verhält
sich so. Und dann, Rich, ist da noch mein ungutes Gefühl. Und
das hat mich selten getrogen…«
*
Instinktiv riß er den Degen hoch, um sich des unheimlichen,
schattengleichen Angreifers zu erwehren, der keine richtige Form
hatte.
Hellmark lief geduckt zum Höhlenausgang. Dort, auf der Grenze
zwischen Wasser- und Luftwelt, wie sie im Innern der Höhle
herrschte, flatterte Whiss erregt mit seinen regenbogenfarben
schimmernden, seidigen Flügeln.
»Tempo!« brüllte der Kleine. Seine Stimme
überschlug sich. »Das geht schief… die Kraft ist
schneller…«
Hellmark lief um sein Leben. Das riesige schwarze Gebilde mit den
Raubtieraugen senkte sich weiter auf ihn herab. Björn
mußte sich ducken, als die ersten Ausläufer der wolkigen
Masse nach ihm griffen. Er spürte den Druck auf Kopf und
Schultern und wischte mit dem Degen durch die Luft, ohne dabei das
geringste zu bewirken.
Die Spitze bohrte sich in die formlose schwarze Masse. Aber er
spürte keinen Widerstand. Die Substanz war wie gefärbter
Nebel.
Er kämpfte gegen Luft, die er spürte, deren Gewicht auf
ihm lagerte und die ihn immer mehr nach unten preßte.
Er ging in die Hocke, warf sich nach vorn und lag flach auf dem
Bauch. Pfeifend entwich die Luft aus seinen Lungen.
Das Herumstochern mit dem Degen erwies sich als völlig
nutzlos.
Hellmark rutschte auf dem Bauch nach vorn. Noch immer war er eine
Armlänge vom Höhleneingang entfernt. Er war so nahe –
und doch so weit entfernt für ihn!
Er glaubte, daß sich ein Zentnergewicht auf ihn
wälzte…
Whiss riß die Augen auf. In seinem Schildkrötengesicht
wirkte das noch unnatürlicher, verfremdete es den
ursprünglichen Ausdruck.
Der kleine Begleiter wich weiter nach hinten aus und stand
kerzengerade
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