Macabros 086: Die Horron-Barbaren
tiefer…
Es krachte und barst. Ganze Steinbrocken flogen aus dem Sockel. In
Zickzack-Linien liefen gewaltige Risse durch das Bauwerk und
verbreiterten sich schnell.
Das Schattenmonster, die ganze Kraft all der negativen Gedanken,
die von vielen tausend Verzweifelten in der Stunde des Grauens und
Sterbens gedacht worden waren, brachten den Hochhausriesen zum
Einsturz.
Hellmark stand da wie erstarrt.
Whiss hing an seinem Hals wie an einem Rettungsring.
Das Hochhaus stürzte quer über die Straße und war
weit genug entfernt von ihnen, so daß sie nicht direkt in
Mitleidenschaft gezogen wurden.
Das Wasser und der Boden wurden aufgewühlt, als der steinerne
Koloß grollend und krachend auf die andere Seite fiel, von
einem Turm einen riesigen Brocken herausriß und dann mit
Donnergetöse zu Boden sank.
Der wurde aufgerissen, als hätte eine Bombe eingeschlagen.
Sand und Steine stiegen wie Geschosse empor und wurden nach allen
Seiten weggeschleudert.
Hellmark warf sich rechtzeitig hinter den Sockel einer Statue und
suchte dort Schutz vor den umherschwirrenden Bruchstücken.
Das auseinanderbrechende Gebäude führte wie ein
waidwundes Urwelttier ein Eigenleben, bäumte sich auf wie unter
konvulsivischen Zuckungen, riß auf – und nicht nur Steine
und Mörtelbrocken wurden in das aufgewühlte Wasser
geschleudert.
Da waren diejenigen, die darauf warteten, wieder zum Leben erweckt
zu werden. Horron-Barbaren in jeder Entwicklungsphase waren zu sehen.
Das Gebäude schien für einen, der von der Wirklichkeit
dieser mikroskopisch kleinen Welt nichts wußte, eine Art Museum
darzustellen.
Unzählige Gestalten wirbelten durch die Luft. Es waren
Hunderte…
Wie mit Wachspuppen ging das. Es waren zum größten Teil
durch die Aktion des Höhlenmonsters nur noch Fragmente. Da
flogen abgerissene Arme und Beine durchs Wasser, krachten dumpf gegen
Häuserfassaden oder die riesigen Standbilder der Fischmenschen,
die vor jedem Gebäude aufragten.
Köpfe von urwelthaften Menschen, Teile abgebrochener
Flügel oder Fischschädel, die mit Vampirzähnen
ausgestattet waren, gehörten zu den unheimlichen Geschossen, die
durch das ausgepflügte Wasser torkelten.
Hellmark wurde oft nur um Haaresbreite verfehlt. Whiss hatte sich
in seinen Nacken gekauert, hielt beide Hände vors Gesicht
gepreßt und wagte nur hin und wieder einen Blick durch die
gespreizten Finger in die unwirtliche Umwelt…
Er verdrehte die Augen, legte den Mund schief und beugte sich dann
nach vorn, um Hellmark ins Ohr zu flüstern: »Eigentlich
hab’ ich nur drei sensitive Fühler ausgefahren, um dem
Ungeheuer ein bißchen auf die Finger zu klopfen,
Björn… außerdem wollte ich dich damit aus der Gefahr
bringen… aber daß das eine solche Nebenwirkung haben
würde, konnte ich nicht wissen. Man muß doch immer wieder
staunen, wozu man manchmal fähig ist, nicht wahr? Das wollte ich
nicht, das wollte ich wirklich nicht… tsss, ich glaub’, ich
spinn’…«, fügte er kopfschüttelnd hinzu und
sah aus, als hätte er in eine saure Zitrone gebissen…
*
Es schien, als hätte die ganze Kraft sich in diesem
fürchterlichen Angriff verbraucht.
Hellmark erhob sich.
Die gewohnte Stille umgab sie wieder. Bis auf einen neuen
Schutthaufen hatte sich ihre Umgebung nicht verändert.
Von dem Hochhaus stand etwa noch ein Drittel. Eine leere,
anklagend aussehende Ruine, die vor dem grünen, schummrigen
Hintergrund der Wasserwelt stand, die rätselhafterweise vor dem
gewaltigen schwarzen Gebirgszug endete.
Es war infolge der Steinmassen, die durch das umgestürzte
Hochhaus sich gebildet hatten, nicht möglich, noch mal direkt
zum Höhleneingang zu gelangen.
Das irritierte Björn. »Ich verstehe nicht…«,
begann er, als er sich auch schon wieder unterbrach.
Der Vorgang war noch nicht beendet, und das wolkige
Schattengebilde hatte sich weder aufgelöst noch war es in der
Zwischenzeit in die labyrinthische Höhle zurückgekehrt.
Die Schutthalde bäumte sich mit einem Mal auf, als wäre
sie von eigenständigem Leben erfüllt.
Das formlose Ungetüm blähte sich auf, lag unter Bergen
von Gestein begraben oder war in einige gewaltige Brocken
förmlich hineingekrochen.
Was jetzt geschah, war weitaus schlimmer und gefährlicher als
der Einsturz des Gebäudes, der sich in
verhältnismäßig sicherer Entfernung von ihnen
abgespielt hatte.
Das Schattenmonster, das aus den negativen Gedanken jenseits der
Grenze dieser Stadt lebte, spritzte nach allen Seiten
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