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Macabros 087: Myriadus, der Tausendfaltige

Macabros 087: Myriadus, der Tausendfaltige

Titel: Macabros 087: Myriadus, der Tausendfaltige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Shocker
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Dorf
mitten im namenlosen Dschungel wurde meine neue Heimat… meine
eigene habe ich vergessen. Nicht vergessen habe ich Elaine, die so
schön war und so jung sterben mußte…« Er senkte
die Hand mit dem Bild, und sein Kopf sank langsam nach vorn, als
würde er über etwas besonderes tief und konzentriert
nachdenken. »Ich habe eine neue Welt kennengelernt, auch die
Höhle mit den Totems…«
    Die letzten Worte waren leise gesprochen, dennoch entgingen sie
Jim nicht.
    Er fuhr wie elektrisiert zusammen.
    »Welche Höhle, Loll?« fragte er mit belegter
Stimme.
    Die Reaktion, die daraufhin erfolgte, war nicht voraussehbar
gewesen.
    Aus dem eben noch so sanften Mann wurde ein wütender
Teufel.
    Er wirbelte herum, schleuderte Elaines Foto auf sein Lager und war
dann mit einem schnellen Schritt vor Jim.
    »Also doch«, geiferte er und sah erschreckend aus. Er
bebte am ganzen Körper, und Schweiß perlte auf seinem
Gesicht. »Die Höhle, du kennst sie auch.«
    »Ich weiß nichts von einer Höhle, Loll. Du selbst
hast doch davon gesprochen!«
    »Oh, ja, schon, aber du willst mich aushorchen, nicht wahr,
willst herausfinden, was ich alles darüber weiß. Die alten
Geschichten, die Mythen, die es in diesem Stamm gibt, sind doch keine
reinen Erfindungen! Ich habe es immer gewußt…«
    Sein ganzes Wesen wirkte hektisch, nervös und bedrohlich. Das
war ein ganz anderer Mann als der, der vor wenigen Minuten noch seine
Geschichte von Elaine erzählt hatte. Sein Ich war gespalten.
    »Sie versteckten sich einst in der Höhle, heißt es
in der Legende«, fuhr er leiser werdend fort, ohne Jim aus den
Augen zu lassen. »Sie waren eine Zivilisation, die normalerweise
nicht in diesen Breiten zu finden war. Sie forderten Menschenopfer.
Der Stamm gab sie ihnen. Es war die Zivilisation der
Guu-uf.«
    »Seit jenen trüben Tagen ist die Angst vor den Wesen mit
den hornartigen Kämmen auf den kahlen, runden Köpfen
geblieben. Seit dieser Zeit werden die Guu-uf gefürchtet und
bewundert, denn sie haben einerseits den vielfachen Tod in den Stamm
gebracht, andererseits jedoch dafür gesorgt, daß andere
feindliche Stämme dieses Gebiet wie die Pest fürchteten.
Dieser widersprüchliche Geist äußert sich auch in den
Ritualen, die noch heute in der gleichen Form durchgeführt
werden wie damals. Es gibt Zeiten des Lebens und Zeiten des
Sterbens.«
    »Ich verstehe«, murmelte Jim, »und das
Forscherehepaar hatte das Pech, gerade in einer Periode des Sterbens
hier aufzutauchen und in die Gefangenschaft der Eingeborenen zu
geraten.«
    »Du hast die Gefangenen befreit. Dafür hast du selbst
den Tod verdient«, warf Loll ein. »Ich verstehe dich nicht,
Jim«, seine Stimme wurde wieder sanfter, »warum du das
getan hast. Du hättest dich freuen müssen über das
Opfer…«
    Lolls Entwicklung, sein Charakter, sein Wesen hatten in den
fünfundzwanzig oder dreißig Jahren gelitten, seitdem er
hier lebte. Er war zurückgefallen auf eine frühe Stufe
menschlicher Entwicklung, und er sprach von rituellen Menschenopfern,
als sei dies die normalste Sache der Welt und nicht verwerflich.
    »Nein, Loll, über Töten kann man sich nicht
freuen.«
    »Aber du bist ein Guu-uf.«
    »Ich sehe so aus. Und selbst, wenn ich einer wäre,
müßte ich nicht so denken wie einige. Nicht alle Guu-uf
paktieren mit den Mächten der Finsternis. Nicht alle Menschen
sind Mörder, nur weil einer einen anderen umgebracht
hat.«
    »Ich verstehe das nicht.« Loll sah plötzlich sehr
nachdenklich aus.
    »Du wirst es verstehen, glaube ich, wenn ich dir alles
erkläre. Aber erst laß mich frei. Nimm mir die Fesseln ab
und zeig mir die Höhle, Loll, damit ich mich vergewissern kann,
ob das stimmt, was du sagst.«
    »Ich lüge nie! In der Höhle sind die Totems, die
Zeichen, daß sie da waren und in der Höhle erwarten sie
ihre Opfer. Aber das müßtest du doch am besten
wissen.« In seinen Augen glitzerte plötzlich ein kaltes
Licht. »Wenn du nicht ihr Abgesandter bist, sondern – doch
eine Maskerade – was hält uns eigentlich davon ab, dich zu
opfern? Ja, weshalb warte ich eigentlich so lange und vergeude meine
Zeit? Meine Freunde im Dorf werden mich bewundern, wenn ich ihnen
deine Leiche bringe.«
    Alles, worüber er zuvor gesprochen hatte, war jetzt für
ihn vergessen. Er war von einem unbändigen, unerklärlichen
Haß auf den Gefangenen erfüllt. Und nur so war es auch
erklärbar, daß er ohne einzugreifen das Ehepaar Mason
hätte ermorden lassen.
    Loll angelte nach einem

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