Macabros 092: Mandragoras Zaubergärten
bewohnt. Irgendjemand mußte
schließlich die Häuser, Türme, Säulen und
Straßen errichtet haben.
Macabros näherte sich einem Gebäude, versuchte einen
Blick durch die matten Fensterscheiben zu werfen, die in dichten
Reihen nebeneinander lagen. Die Scheiben waren blind.
Da versetzte er sich nach innen.
Die Kälte, die ihn umgab, ließ sich auch von den
massiven Wänden nicht abhalten.
Die Luft im Innern des Gebäudes, in dem zahlreiche Hallen
hintereinander lagen, war ebenso eisig wie außerhalb.
Er entdeckte keine Möbel, keine Hinweise auf irgendein
Lebewesen.
Die Stadt, wahrscheinlich das ganze Land, waren ausgestorben.
Die ’Menschen’ dieser Welt waren offensichtlich vor dem
Einbruch der Kälte geflohen.
Am trüben Himmel, eine einzige Waschküche, fand sich
keine Sonne mehr, eine Welt ohne Sonne und doch von einem fahlen,
sterbenden Licht erhellt, dessen Quelle er nicht ausfindig machen
konnte. Wohin waren die ’Menschen’ geflüchtet? Wenn
dies tatsächlich die Welt Than war, was noch des Beweises
bedurfte, dann mußten die Bewohner irgendwo geblieben sein.
Hielten sie sich in wärmeren Gefilden auf? Gab es solche noch
hier?
Macabros sah vorsichtshalber in mehreren Gebäuden nach. Er
suchte die flachen Hallen ebenso auf wie die hohen, viereckigen
Türme. Die ganze Stadt machte auf ihn den Eindruck eines
Riesenspielzeugs. Es schien, als wäre von der Hand eines
Bastlers eine gigantische Stadt aus eckigen Klötzen errichtet
worden und…
Abrupt brachen seine Gedanken ab.
Das Geräusch war plötzlich da.
Es hörte sich im ersten Moment an wie aufkommender Wind.
Macabros versetzte sich nach draußen, mitten auf eine der
parallel in die Ferne führenden Straßen.
Das geheimnisvolle Raunen und Rauschen nahm zu. Es lag wie ein
böser Odem über der rätselhaften, menschenleeren
Stadt, in der sich niemals ein Kämpfer namens Orkon aufhalten
konnte.
Hellmark, der in der Ferne Kenntnis vom Bewußtseinsinhalt
seines Zweitkörpers erhielt, hatte sich anhand der wenigen
Hinweise in Ak Nafuurs Text das Land Than ganz anders
vorgestellt.
Wenn Orkon ein Schwertkämpfer und Abenteurer und Ak Nafuur
der Name bekannt war, ließ sich daraus schließen,
daß er schon zu einer Zeit lebte, die weit vor der Gegenwart
lag, aus der sie gekommen waren. Dies bedeutete, daß sie
entweder in eine andere Zeit Eingang gefunden hatten oder in eine
Welt, in der die Bewohner älter wurden als auf der Erde. Oder
– Unsterblichkeit erlangt hatten…
Hellmark konnte sich nicht daran erinnern, daß mit dem
Spiegel der Kiuna Macgullyghosh jemals eine Wanderung in eine andere
Zeitebene möglich gewesen war.
Die Stadt, die er sah, war eine Stadt in der Gegenwart einer
anderen Welt. Die sehr auf Menschenart gebauten Häuser
ließen darüber hinaus den Schluß zu, daß das
Volk, dem Orkon angehörte, auch menschenähnlich sein
mußte.
Das Rauschen des Windes verstärkte sich.
Es schwoll zu einem Orkan an. Aber seltsam – die Luft bewegte
sich nicht!
Macabros richtete seinen Blick empor. Ein langgezogenes Heulen und
Klagen war zu hören. Da erkannte er es.
Es kam aus den Spitzen der stalagmitähnlichen Säulen und
entwickelte sich auf- und abschwellend wie der Ton einer Sirene.
Es klang wie der Hilferuf eines todkranken Tieres, langgezogen,
dunkel, qualvoll…
*
Peter Leitner brach der Schweiß aus allen Poren.
Der Mann glaubte, mit den Füßen am Boden festgewachsen
zu sein. Er spannte alle Muskeln und Sehnen und mobilisierte seine
ganze Kraft, um sich loszureißen.
Vergebens!
Was für eine unheimliche Kraft kettete ihn?
Er fuhr zusammen.
Da – war jemand!
Aus den Augenwinkeln nahm er die schattenhafte Bewegung wahr und
hörte im selben Augenblick auch die gleichmäßigen
Schritte, die von den Wänden als Echo widerhallten.
Leitner wollte den Kopf wenden, konnte es aber nicht. Der Schatten
streifte sein Gesicht. Eine Gestalt schob sich in sein Blickfeld.
Sie stand etwa drei Schritte von Peter Leitner entfernt.
Es handelte sich um einen Mann.
Er war ganz in Schwarz gekleidet.
Das helle, runde Gesicht schimmerte fahl und hob sich aus der
Dunkelheit ab.
Leitner musterte wohl eine halbe Minute lang sein Gegenüber.
Der andere erwiderte seinen Blick.
Unzählige Fragen stürmten auf Leitner ein.
»Wer sind Sie?« Er erschrak vor dem Klang seiner eigenen
Stimme.
»Namen sind Schall und Rauch«, antwortete der
Schwarzgekleidete. »Aber der Einfachheit halber werde ich mir
einen Namen geben. Nennen Sie
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