Macabros 095: Verschollen in Dwylup
Dwylup war, das die wirkliche Amara seinerzeit
auslöschte, um untertauchen zu können, wußte
außer ›Faraux‹ niemand.
Sie lebten beide ihr neues Dasein als ›Menschen‹ perfekt
und wurden von niemand entdeckt…
Kein Mensch vermutete, daß ihre Körper nur Maske waren
und von den wahren Trägern, die es längst nicht mehr gab,
einfach übernommen wurden.
Sie wechselten während der Fahrt nur wenige, notwendige
Worte, die die neue Situation klärten.
Der Citroen verließ die Stadt. Wenig später schon lag
die einsame Landstraße vor ihnen.
Faraux steuerte sein Ziel auf dem kürzesten Weg und direkt
an.
»Wir werden gleich mehr wissen«, murmelte er.
»Und wenn es eine Falle ist?« fragte Amara Tosten.
»Bist du dir sicher, daß Myrex echt war?«
»Völlig sicher… da ist es ja schon…« Im
Scheinwerferlicht tauchte die Kreuzung auf.
Faraux setzte die Geschwindigkeit herab. Der gutgefederte Wagen
dämpfte die Schläge, die durch die Mulden und Löcher
auf dem Zufahrtsweg zur ehemaligen Poststation entstanden.
»Es ist lange her, seitdem wir das letzte Mal hier
waren«, sagte die ›Frau‹ an seiner Seite.
»Es gab, nachdem wir beide erfolgreich unterschlüpfen
konnten, keinen Grund mehr, hierher zu kommen… Das hat sich nun
geändert.«
Etwa fünfzig Meter von dem Backsteinhaus entfernt hielt
Albert Faraux.
»Wenn Myrex’ Tip stimmt, dann wird der Spiegel
regelmäßig heimlich bewacht«, sagte er leise, ohne
seinen Blick Amara Tosten zuzuwenden. »Wenn es stimmt, werden
wir das schnell herausfinden…«
Sie sprachen ihr gemeinsames Vorhaben ab.
»Dann kann’s also losgehen«, nickte er, nachdem er
›Amara‹ in seinen Plan eingeweiht hatte.
Er löschte die Scheinwerfer nicht.
›Amara Tosten‹ begann sofort ihre Rolle zu spielen.
Sie riß die Tür auf und lief schreiend in die Nacht.
Ihre Stöckelschuhe klapperten auf dem steinigen Weg, der bergan
führte.
»Stehenbleiben! Verdammt noch mal!« Faraux brüllte
wie von Sinnen und setzte der Fliehenden nach.
Amara Tosten war noch zehn Schritte von der Tür der alten
Poststation entfernt, als Faraux sie einholte, nach ihr griff und sie
zu Boden warf.
»Hilfe! Hilfe!« Amara Tosten schrie wie von Sinnen.
Faraux schlug zu. Mit harter Hand zerriß er die seidige
Bluse der schönen Amara.
Die Tür der Poststation flog auf.
Arson, der Mann mit der Silberhaut, angelockt durch die schrillen
Schreie in der nächtlichen Einsamkeit, erschien auf der
Bildfläche.
Er verlor keine Sekunde, als er sah, daß ein Mann eine Frau
zu Boden geschlagen hatte und ihr Gewalt antun wollte.
Zwei, drei schnelle Schritte... Arson flog wie ein
silberglänzender Pfeil durch die Luft.
Ehe Faraux sich’s versah, sprang der Mann mit der Silberhaut
ihn an.
Faraux wurde seitwärts zu Boden geschleudert. Mit einem
überraschten Aufschrei ließ er sein ›Opfer‹ los
und wandte sich dem neuen Gegner zu, den er offensichtlich nicht in
dieser Gegend erwartet hatte.
Arson brachte einen gezielten Schlag an, der Faraux von den Beinen
riß.
Amara Tosten atmete schnell und kam langsam in die Höhe. Ihre
Haarspange hatte sich geöffnet. Eine Flut dichten schwarzen
Haares fiel auf ihre Schultern. Von der Bluse hing so gut wie kein
Fetzen mehr an ihrem Körper. Sie war nackt und bloß. Auch
der Rock war aufgerissen.
Doch Amara Tosten machte sich nicht die Mühe, weder ihre
Frisur noch ihre Kleidung in Ordnung zu bringen.
Arson war so sehr mit Faraux beschäftigt, daß er die
nahende Gefahr in der Person Amara Tostens nicht erkannte.
Amara Tosten bückte sich, griff nach einem großen,
flachen Stein, hob ihn und schlug ihn mit voller Wucht auf Arsons
Hinterkopf.
»Vielen Dank für die Hilfe«, sagte sie geifernd.
»Jetzt reicht sie…«
Ohne einen Laut von sich zu geben, brach Arson zusammen.
Albert Faraux sprang auf die Beine. Der Angriff hatte auch ihn
außer Atem gebracht. In der Gestalt der Menschen waren sie
automatisch mit all deren Schwächen ausgestattet.
»Es wäre einfacher gewesen, ihm gegenüber zu
treten«, murmelte Faraux atemlos. »Wir hätten uns
beiden die Anstrengung ersparen können. Und ihn gäbe es
nicht mehr…«
»Was vielleicht falsch gewesen wäre«, widersprach
Amara Tosten. »Wer weiß, was wir von ihm noch erfahren
können. Vorerst liegt er auf Eis, und wir haben Zeit und
Gelegenheit, uns später noch mal um ihn zu
kümmern…«
Sie schleppten den Besinnungslosen, auf dessen Hinterkopf eine
große Platzwunde prangte, in das
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