Macabros 104: Höllenspuk
ständig um.
Arme und Beine ragten wie zerbrochene Stücke steinerner
Statuen aus dem Wüstensand, abgebrochene Speere, Pfeile und
Bögen lagen herum.
Die Kadaver zweier Llonolls hoben sich unter dem feinkörnigen
Teppich ab.
Die Stille des Todes, Friedhofsruhe, wehte sie an, als sie
über diesen Ort des Grauens in niedriger Höhe
hinwegglitten.
»Ein Alptraum… sag, Namenloser… – sag,
daß wir träumen. Dies dort… kann nicht sein… was
ist geschehen? Die Luftreiter? Können sie? Nein – Varone
ist nahe genug, um von dort noch Verstärkung herbeizurufen…
es ist alles blitzschnell gekommen, wie eine Krankheit, wie eine
Seuche, die blitzartig über sie hinweggezogen
ist…«
Er landete mitten im Grauen.
Der ewige Wind wehte auch jetzt und ließ sich von den
reglosen, wie dahingemäht aussehenden Leibern nicht
beeindrucken.
»Die Frauen aus Varone und ihre Begleiter starben nicht an
einer Krankheit, Bolonophom«, sagte Macabros rauh, während
er den Sand von einer Leiche strich.
Eine Frau lag vor ihm. Ihre Augen waren noch im Tod
schreckgeweitet. Sie lag mit dem Bauch auf dem Boden, aber ihr
Gesicht war Macabros zugewandt. Der Hals war um hundertachtzig
Gradverdreht!
Die Kraft, die mit solcher Gewalt eingeschlagen war, konnte sich
keiner von ihnen vorstellen.
Sämtliche Glieder waren gebrochen. Quer über den Leib
lief eine tiefe Fleischwunde, in die schon allerhand Ungeziefer sich
eingenistet hatte.
Die Loark-Frau hatte gleichzeitig mehrere tödliche
Verletzungen erlitten. Wahrscheinlich hatte sie ihr Sterben nicht
mitbekommen. Und das war gut so.
Sie war kein Einzelfall. Alle anderen waren auf die gleiche Weise
ums Leben gekommen.
Die Gruppe der Geretteten war offenbar in einen teuflischen
Hinterhalt geraten.
Macabros’ Miene war wie aus Stein gemeißelt. Er machte
sich Vorwürfe.
»Es war mein Fehler«, murmelte er, inmitten des Meeres
von Grauen stehend. »Ich hätte dabei bleiben sollen bis zum
Erreichen des Zieles…«
»Dich trifft keine Schuld«, widersprach Bolonophom.
»Niemand konnte… so etwas ahnen… der Weg war sicher.
Alle wußten das…«
»Aber es war etwas in ihrer Mitte…, ja, das muß es
sein… es hat sie überrascht, während sie ruhten. Sie
kamen nicht mal mehr dazu, nach ihren Waffen zu greifen… die
Frauen, die als Schwangere aus den Spiegel-Flächen kamen,
Bolonophom… Vela hat von ihnen gesprochen. Sie wurden beim
ersten Angriff entführt, damit man beim zweiten Angriff freie
Hand hatte. Wer aber ist ›man‹? Wer kann so grausam sein,
daß er bereit ist, alle diese Menschen auf bestialische Weise
zu töten, nur damit es keinen Beweis seiner Existenz gibt? Denk
nach, Bolonophom! Gibt es einen ähnlichen Vorfall in der
Geschichte des Loark-Volkes? Oder hast du jemals Gerüchte von
anderen gehört?«
»Nein. Niemals. Nicht in dieser Region… und die
Geheimnisse anderer Länder und Völker interessieren uns nur
am Rand. Sie haben nicht mit uns zu tun…«
Plötzlich hörten sie das Stöhnen.
Macabros und Bolonophom warfen die Köpfe herum.
»Da scheint noch jemand zu leben!« entfuhr es dem
Loark-Mann.
Macabros’ Blicke suchten die Umgebung ab.
»Ooooh, aaahh…«, es hörte sich qualvoll
an.
Da sah er, daß sich etwa fünfzehn Meter weiter links
von ihm etwas im Sand regte. Etwas, das versuchte, sich
aufzurichten.
Sie liefen hin.
Was sie sahen, schnürte ihnen die Kehle zu.
Sie hatten offenbar vorhin bei ihrem doch sehr aufmerksamen
Rundgang, wie Macabros fand, übersehen, daß es noch eine
Überlebende gab.
Es handelte sich um eine Loark-Frau.
Sie hatte den mit Sand bedeckten Mund weit geöffnet. Das
Stöhnen kam aus ihrer Kehle. Die Frau schien sich aufrichten zu
wollen. Über ihren aufgeblähten Körper liefen
krampfhafte Zuckungen.
Der aufgetriebene Leib wuchs unter der Sandschicht und ließ
diesen seitlich wegrutschen, so daß der Bauch jetzt völlig
zu sehen war.
Die Haut war rissig, sah mürbe und morsch aus und platzte
weiter auf, weil das Leben unter der Bauchdecke mehr Platz
brauchte.
Macabros und Bolonophom wurde klar, daß nicht die Frau es
war, die stöhnte, sondern daß die Geräusche von dem
Wesen stammten, das sich nun aus ihrem Leib grub.
Die Frau war längst – wie alle anderen Mitglieder der
Gruppe – tot. Unter dem Sand hatte sich das, was sie unter ihrem
Herzen trug, verborgen gehalten und weiter entwickelt.
Der Leib platzte auf wie eine Eierschale, und heraus kamen dicke
schwarze Tentakel, die schlangengleich in die
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