Macabros 104: Höllenspuk
Luft ragten, um sich
griffen und den Körper weiter dehnten. Dieser Wirtskörper
war nur noch eine leere Hülle, vollkommen aufgebraucht von dem
Leben, das auf unnatürliche Weise in sie gepflanzt worden
war.
Es war ein Teil des Schlafenden, jenes unheimlichen Götzen,
von dem Macabros geglaubt hatte, daß er ihm den Garaus gemacht
hätte!
Der Schlafende hatte zu einem Zeitpunkt, als er seinen Untergang
befürchten mußte, ausgelöscht zu werden, einen Weg
gefunden, seine Art weiterzugeben.
Und was sich da in Sekundenschnelle vor ihren Augen vollzog,
vermittelte ihnen einen Eindruck von dem, was den Tod all dieser
Menschen ausgelöst hatte.
Die schwarze, krakenähnliche Dämonengeburt stieg aus dem
geöffneten Leib wie ein Geist aus der Flasche, dehnte und reckte
sich dabei, wurde immer größer und überragte jetzt
Macabros und Bolonophom schon um das Doppelte.
Und dies war der Augenblick, da Macabros sich aus dem Bann
riß. Mit dem Schwert in der Hand stürzte er nach vorn und
preschte auf das dämonische Unwesen zu.
Welche Kräfte der Schlafende aus einer anderen Dimension
für diese Welt hinterlassen hatte, um seine Herrschaft doch noch
anzutreten, wußte Macabros nicht. Er wollte es auch nicht
wissen. Nur über eines war er sich klar: dieses Ungetüm in
seiner grauenvollen, heftigen Entwicklung, die alles Menschliche
überrannte, zu stören.
Er sah den plumpen, weichen Leib vor sich. Wie ein düsterer
Schatten baute er sich vor ihm auf.
Und er rammte das Schwert, das er aus dem Dorf der Traphilen
mitgenommen hatte, in den Leib. Er war glitschig und naß wie
ein Schwamm, der nachgab.
Tief drang die Klinge in den Bedroher.
Bolonophom unterstützte ihn jetzt. Mit zwei kraftvollen
Hieben trennte er von dem immer noch wachsenden Krakenleib zwei
Tentakel. Die klatschten in den Sand und bewegten sich dort wie
selbständige überdimensionale Würmer, ehe sie
vertrockneten und wie morsches, ein wenig zu dunkel geratenes
Pergament liegen blieben…
Das Rumoren, die wie Stöhnen klingenden Geräusche aus
dem Dämonenkörper verstärkten sich.
Die Tentakel peitschten durch die Luft. Eine klatschte Macabros an
den Kopf. Er verspürte dabei keinen Schmerz, konnte aber die
Wirkung, die der Schlag auf ihn machte, nicht ungeschehen machen.
Ihm wurden regelrecht die Füße unterm Leib weggezogen.
Er flog etwa fünf Meter weit durch die Luft, landete zwischen
zwei Leichen, raffte sich wieder auf – und sah, daß der
Krakenkörper schon wie ein Ballon, dem man die Luft
abließ, in sich zusammensank.
Der erste Angriff zeigte bereits seine Wirkung.
In ihrer Wut, ihrem Zorn, ihrer Todesangst setzte die
Dämonengeburt nochmal alle ihre Kräfte ein.
Sie wütete wie ein Berserker. Macabros und Bolonophom hatten
das Gefühl, in einen Mahlstrom zu geraten.
Die Luft um sie herum begann zu brodeln. Kleine Sandfontänen
stiegen in die Höhe, die Leichen auf dem Boden bewegten sich,
als kehre plötzlich geisterhaftes Leben in sie ein. Die
gebrochenen, verrenkten Glieder wurde wie von unsichtbaren
Händen gepackt und herumgerissen.
Der Krake, etwa vier Meter groß, packte alles, was er
greifen konnte.
Macabros stemmte sich gegen den Luftwirbel, den der Krake
erzeugte, warf sich der unsichtbaren Wand entgegen und konnte ein
zweites Mal sein Schwert in dem Dämonenkörper
plazieren.
Er stach genau zwischen die beiden großen, tiefsitzenden
schimmernden Flächen, die er für noch nicht ganz
entwickelte Augen hielt.
Der Vorstoß verfehlte seine Wirkung nicht.
Die herumschnellenden, wie Dreschflegel umherwirbelnden Tentakel
verlangsamten ihre rasende Fahrt durch die Luft.
Der Dämonenkrake breitete sich flach wie eine Flunder vor
Macabros aus, und dann begannen seine Tentakel und sein großer
Leib zu schrumpfen. Was übrig blieb, war wiederum diese
pergamentartige, ausgedörrte Substanz.
Bolonophom wankte näher. Ein blutiger Streifen lief über
seine Brust. Dort hatte eine Tentakel ihn gestreift.
»Alles in Ordnung?« fragte Macabros besorgt.
Bolonophom nickte nur.
Macabros ließ die seltsame kristalline Substanz, die von dem
Krakendämon übrig geblieben war, nachdenklich durch die
Finger rinnen.
Er blickte sich um.
»Es war nur einer…«, murmelte er. »Einer,
dessen Geburt wir zufällig mitbekamen. Die anderen müssen
sich schon ereignet haben. Ich glaube, daß Vela und alle, die
in die Wüstenstadt zurück wollten, einem Irrtum zum Opfer
fielen. Sie schilderten die Wirkung vor der Ursache. Es ist anders
gewesen.
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