Macabros 108: Haus der grausamen Druiden
Whiss
auftauchte.
Unterhalb des Gemäldes in der Nische war eine flüchtige
Bewegung zu erkennen. Einen Moment sah es so aus, als würde der
kleine geflügelte Bursche aus den wabernden Nebelschleiern
tauchen, die ein typischen Merkmal des Ölbildes waren.
Es handelte sich bei ihm um ein mediales Bild. Es waren
Kräfte darin wirksam, die die Grenzen zwischen der dritten
Dimension und der Welt der Finsternis auflösten. Die
fremdartige, beklemmende Atmosphäre des Bildes war ein Tor in
das Zwischenreich und nach Mworop, jener Stadt, in der Molochos einen
Tempel unterhielt.
Erwartungsvolle Blicke trafen Whiss.
»Ich habe Gigantopolis gesehen«, sagte er schnell, ohne
daß einer auch nur eine Frage zu stellen brauchte. »Es ist
so, wie ich vermutet habe. Die Stadt befindet sich in der Gegenwart
– anders hätte Molochos einen so schnellen Wechsel zwischen
dem Schreckens-Zentrum und Gigantopolis auch nicht bewerkstelligen
können.«
Björn sprang auf. Unwillkürlich umklammerte er den Griff
des Schwertes, das ihm in vielen Begegnungen mit den Dämonen
bereits das Leben gerettet hatte.
»Dir gelang es, uns in das Ewigkeits-Gefängnis zu
schleusen«, meldete sich Rani, kaum daß Whiss’ Worte
verklungen waren. »Das würde bedeuten, daß wir alle
auch…«
Whiss nickte. »Theoretisch ja. Der Weg nach Gigantopolis
steht offen. Die Stadt liegt oberhalb des Schreckens-Zentrums. Aber
sie gleicht einer Festung. Wir würden nirgends unbemerkt
bleiben.«
»Es käme auf einen Versuch an«, warf der Inder ein,
der bereit war, sein Leben für Carminias Rettung zu opfern.
»Dieser Versuch wäre von vornherein zum Scheitern
verurteilt«, widersprach der kleine Bursche. »Und niemand
wäre gedient. Auch Carminia nicht. Das ist eine Aufgabe für
einen einzelnen – mit Hilfe von Velenas Armreif…«
Hellmark begriff den Plan, den der Kleine im Kopf hatte.
»Genial ausgedacht«, murmelte er. »Mit der
Unsichtbarkeit ließe sich unter Umständen tatsächlich
etwas ausrichten. Aber es funktioniert nicht. Der Armreif hat seine
magische Kraft verloren… er ist wertlos…«
»Er war wertlos, ich weiß«, entgegnete Whiss.
»Ich habe es in dem Augenblick erkannt, als ich noch den Versuch
unternahm, Carminia aus Molochos’ Bannkreis zu entfernen. Der
Reifen befand sich in Reichweite, und ich habe ihn telekinetisch
über ihr Armgelenk gestreift. Es tat sich nichts. Ich holte ihn
zurück – das gelang. Besser wäre es gewesen, der
Reifen wäre in Molochos’ Besitz geraten und nicht
Carminia… Wenn man Gelegenheit dazu hat, zwei Fliegen mit einer
Klappe zu schlagen«, sagte er im Brustton der Überzeugung,
»dann sollte man das tun. Ich hab’s getan! Ich habe
Gigantopolis angepeilt und gleichzeitig den Armreif Velenas der
Wirkung des Psi-Felds ausgesetzt.«
»Und du glaubst, das nützt etwas?« zweifelte
Hellmark. Der neue, selbstbewußtere, gereifte Whiss stellte ihn
vor immer neue Rätsel.
»Es hat etwas genützt. Hier…« Mit diesen
Worten nahm er seine kleinen Hände vom Rücken und streckte
Hellmark den Armreif entgegen.
Björn erlebte damit eine weitere Überraschung.
»Aber den Armreif…«
»Hattest du vorhin noch – richtig. Ich habe ihn
unbemerkt verschwinden lassen wegen des Experiments.«
Hellmark ließ es sofort auf einen Versuch ankommen.
Er streifte den Reifen über, drehte ihn – und war im
gleichen Augenblick nicht mehr zu sehen.
»Es funktioniert!« jubelte Whiss und strahlte von einem
Ohr zum anderen.
Björn erschien wieder wie der Geist aus dem Nichts.
»Whiss!« sagte er glücklich. »Ich glaube, so
geht es. Es wäre einen Versuch wert…«
Rani Mahay trat einen Schritt vor.
»Traust du dir das wirklich zu?« fragte er ernst.
»Nach all den Strapazen… Wäre es nicht besser, einer
von uns würde gehen .?«
Er wußte, daß Hellmark nicht auf diesen Vorschlag
eingehen würde.
»Es geht um Carminia, Rani…«
Innerhalb der nächsten zwei Minuten war alles entschieden und
besprochen.
Whiss wollte den unsichtbaren Hellmark nach Gigantopolis
schmuggeln.
Ein Mann allein gegen ein Heer von Dämonen!
»So ganz allein bin ich nicht«, wies er Danielles und
Ranis Sorgen zurück. »Es ist stets ein zweiter an meiner
Stelle, einer, der ebenso lange unsichtbar ist wie
ich…«
Er sprach von Macabros.
»Ich habe den Kontakt zu meinem Zweitkörper verloren,
nachdem ich in Molochos’ Ewigkeits-Gefängnis geriet«,
fuhr er fort. »Jetzt müßte ich ihn eigentlich sofort
und überall wieder erstehen
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