Macabros 114: Kaphoons Grab
sich in die Fluten zu stürzen, weit
hinauszuschwimmen und die Freiheit und das Glück, die diese
Insel ihr boten, in vollen Zügen zu genießen, wurde
plötzlich geweckt.
Eine einsame Insel, menschenleerer Strand, schneeweißer
Sand, blaues Meer und blauer Himmel… dies alles war eine einzige
Verlockung, der Pamela nicht widerstehen konnte.
Sie schlüpfte aus ihren Kleidern, rannte zwischen
dichtstehenden Palmen dem Wasser entgegen und stürzte sich in
die erfrischende Flut. Sie tauchte unter, teilte mit kräftigen
Schwimmbewegungen das klare Wasser und ließ sich von den Wellen
emportragen…
Auf ihrer nackten, samtenen Haut perlte das Wasser ab und
spiegelte sich tausendfach das Licht der Sonne.
Pamela Kilian war eine gute Schwimmerin, kraulte weit hinaus,
wandte sich dann um und blickte zurück auf den Strand, der vor
ihr lag wie ein überdimensionales Bild aus einem
Reiseprospekt.
Weiter rechts begann felsiges Gelände. Dort lag auch die
riesige Höhle mit dem Aussehen eines Totenschädels.
Mit kaum merklichen Bewegungen hielt sie sich über Wasser,
genoß diese Minuten und schwamm dann langsam zurück.
»Mir kommt es so vor, als wärst du ein bißchen
weit hinausgeschwommen«, sagte da die Stimme über ihr.
Alan Kennan!
Pamela Kilian schrie leise auf und schluckte vor Schreck
Wasser.
»Aber das macht nichts«, beruhigte sie die gleiche
Stimme im nächsten Moment, ohne daß sie den Sprecher sah.
»Ich werde dich retten…«
Sie sah etwas Kleines, das etwa einen halben Meter über ihr
schwebte.
Einen Vogel dieser Größe hatte sie noch nie
gesehen.
Er war etwa drei Zentimeter groß – und überhaupt
kein Vogel. Es war ein lebendiges Etwas, eine Mischung zwischen
Miniaturmensch und Vogel mit den hervorquellenden Augen einer
Schildkröte.
Der winzige Kerl feixte.
Er hatte gesprochen? Mit der Stimme – Alan Kennans!
Pamela wußte damit, mit wem sie es zu tun hatte.
Marga Koster hatte von einem weiteren ›Bewohner‹ jener
paradiesischen Insel gesprochen.
›Im Moment‹, so fielen Pamela die Worte der alten Frau
wieder ein, ›kann ich Ihnen diesen Marlos-Bewohner leider nicht
zeigen, Pamela. Wahrscheinlich streunt er wieder irgendwo herum.
Manchmal hockt er auch stundenlang in einer Palme oder im Kelch einer
Blüte und berauscht sich mit Nektar. Er ist klein und
frech… und hört auf den Namen Blobb-Blobb…‹
Pamela Kilian wunderte sich selbst, daß sie ihre
Überraschung so schnell überwand. Zum erstenmal in ihrem
Leben wurde sie mit einem Geschöpf konfrontiert, das es
eigentlich nicht geben konnte – und doch in dieser Welt
existierte. Diese Welt war voller Rätsel und Geheimnisse, die
viele nicht wahrhaben wollten.
Es gab Geister und Dämonen, die Mächte der Hölle
und die Kräfte und Eroberungsabsichten der
Dämonengöttin Rha-Ta-N’my. Es gab Leben im Makro- wie
im Mikrokosmos.
Aber es gab auch die Kräfte des Guten. Und sie zeigten sich
am ehesten in den Taten der Menschen, die diesen positiven Geist in
sich trugen und damit Hoffnung in die Welt brachten.
Pamela Kilian hatte in den letzten Tagen viel gelernt, und es
wunderte sie selbst, mit welcher Gelassenheit sie das Auftauchen
dieses seltsamen und außergewöhnlichen Zeitgenossen
aufnahm.
»Ich weiß, wer du bist«, sagte sie einfach.
»Du bist Blobb-Blobb…«
Dem kleinen Kerl klappten die Mundwinkel herunter.
»Das ist komisch«, reagierte er. Diesmal bediente er
sich nicht der Stimme Alan Kennans, sondern einer anderen. Sie klang
tief und markig. Es war die Rani Mahays, aber den kannte Pamela
nicht… »Wieso kannst du mich kennen, wo ich nicht mal
weiß, wer du bist?«
Pamela lachte. Der ulkige Ausdruck auf dem winzigen Gesicht
amüsierte sie. »Das liegt wohl in der Natur der Sache. Man
hat mir von dir erzählt.«
»Ah… dann gehörst du jetzt auch hierher?«
Blobb-Blobb spreizte seine zarten, regenbogenfarben schillernden
Flügel und glitt zehn Zentimeter näher an Pamela heran, die
ihre Schwimmbewegungen wieder aufnahm. Im stillen mußte sie dem
kleinen Kerl recht geben. Sie war wirklich unverantwortlich weit
hinausgeschwommen. Sie glaubte, dem Ufer überhaupt nicht mehr
näher zu kommen.
»Vorübergehend zumindest«, antwortete sie auf seine
Frage.
»Dann wird meistens ein Dauerzustand daraus. Wer mal hier
war, kommt immer wieder.«
»Kommt auch darauf an, ob man mich hier haben will.«
Pamela atmete schneller. Das Ziehen in ihren Armen wurde
stärker.
Sie merkte ganz deutlich, daß sie keinerlei Übung
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