Macabros 117: Amoklauf der Verlorenen
Carminia Brado den Namen.
»Nie gehört… Was soll mit ihm sein?«
Björn antwortete nicht gleich. »Ich weiß es
nicht… es ist nur ein Bild, eine Idee.«
Man merkte ihm an, daß er sich den Kopf darüber
zerbrach, daß er in sich hineinlauschte, als vernähme er
eine leise, ferne Stimme.
»He, ihr beiden!« ertönte es da hinter ihnen.
Es war Ranis Stimme. Aber der muskulöse Inder war weit und
breit nicht zu sehen.
Nicht weit von ihnen entfernt stand ein blühender
Hibiskusstrauch.
In einer der großen Blüten bewegte sich ein kleiner
dunkler Schatten. Blobb-Blobb…
Er winkte den beiden zu. »Man sucht euch«, maulte er,
ohne seine Tätigkeit aufzugeben, die darin bestand, an dem
dicken Blütenstengel zu lutschen. Wie auch Whiss, der ihn
ausgebrütet hatte, liebte er Nektar und Blütenstaub. Von
weitem leuchteten seine kleine Nase und sein Mund quittengelb, als
wäre er in einen Farbtopf gefallen. »Aufregung im
Camp…«, fuhr er mit der kräftigen Stimme des Inders
fort. »Ihr als Hauptpersonen werdet vermißt. Es ist nicht
die feine englische Art, die Gäste sich selbst zu
überlassen… Wenn wenigstens einer von euch drüben noch
dabei wäre.«
Hellmark ging zwei Schritte zurück und nahm den
Blütenkelch vorsichtig in die Hand, in dem Blobb-Blobb mit
Blütenstaub verschmiert hockte und ihn mit treuem Blick
musterte.
»Recht hast du«, nickte der Herr von Marlos.
»Wenigstens einer sollte drüben sein.«
Als er das sagte, zwinkerte er Carminia zu.
Im nächsten Moment ließ er seinen Doppelkörper
entstehen.
Macabros…
Hellmark verfügte über die Fähigkeit, sich zu
verdoppeln.
Durch einen Priester der Weißen Kaste, die auf Xantilon
entscheidend gegen den Untergang und die Vernichtung der Kultur und
des Lebens kämpfte, war er in den Genuß dieser
Fähigkeit gelangt.
Al Nafuur, so hieß der Priester, hatte ihn darauf aufmerksam
gemacht und war zu seinem geheimnisvollen Geistführer aus dem
Zwischenreich geworden.
Schon lange jedoch hatte es zwischen ihm und Al Nafuur keinen
telepathischen Kontakt mehr gegeben.
Macabros glich dem Körper Hellmarks wie ein Ei dem anderen.
Eine Steinwurfweite von ihm entfernt schien sein Zwillingsbruder zu
laufen.
Statt Björn Hellmark näherte sich dessen
Doppelkörper der fröhlichen Gesellschaft, die Tische und
Stühle auf dem Platz vor den Blockhütten zusammengestellt
hatte.
Pepe und Jim, der Guuf, saßen sogar ungeniert im Gras, das
jenseits des weißen Sandstrandes üppig gedieh.
Macabros wurde mit lautem Hallo empfangen.
»Carminia läßt sich entschuldigen«, sagte er
fröhlich. »Sie muß sich um Blobb-Blobb
kümmern… der kleine Kerl hat sich bitter darüber
beklagt, daß sich keiner von euch so richtig seiner
annimmt.«
»Er hat einige Male an meinen selbstgebrauten
Kokosmuß-Wein genascht«, warf Rani ein. »Als er
anfing, die Gläser unserer Gäste schwerelos durch die Luft
schweben zu lassen, hielt ich es für angebracht, ihn in eine
Blüte zu schicken, damit er seinen Rausch ausschläft…
Das Bürschchen wird genau so frech wie sein Erzeuger.«
Whiss, dessen Schicksal nach wie vor ungeklärt und der in der
Vergangenheit Xantilons zurückgeblieben war, fehlte.
So hatte die Stimmung ihren Wermutstropfen, und es blieb nicht
aus, daß man anfing, Pläne zu schmieden und Gedanken zu
erörtern, wie man am besten vorging, um Whiss’ Verschwinden
aufzuklären.
Viele interessante Überlegungen wurden
geäußert.
Dies alles beschäftigte sie so sehr, daß keiner von
ihnen auf die Idee kam, Macabros’ Erklärung
nachzuprüfen.
Zur gleichen Zeit verschwanden Björn Hellmark und Carminia
Brado in dem kleinen Palmenhain, in dem wie ein silbern schimmernder,
runder Teich der ›Geistspiegel des Hestus‹ lag, jenes
rätselhafte Gebilde, das Björn nach seinem Sieg über
Sequus, den Ursen-König Stück für Stück hierher
gebracht und mit Hilfe seiner Freunde zusammengebaut hatte.
Während alle sich täuschen ließen, daß
Björn unter ihnen weilte und Verständnis dafür hatte,
daß sich Carminia um den beschwipsten Blobb-Blobb
kümmerte, tauchten die beiden Liebenden, die sich so lange nicht
mehr gesehen hatten, in dem schattigen Palmenhain unter…
*
Sie merkte nichts von dem grotesken, unheimlichen Schatten, der
durch das weitgeöffnete Fenster drang.
Nicole Sengor schlief immer bei geöffnetem Fenster. Hier im
fünften Stockwerk, direkt unter dem Dach, brauchte sie wohl
keine Angst vor Einbrechern zu haben.
Nicole lag in
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