Macabros 120: Giftstachel des Skorpion-Dämons
entdecke einen Eingang, der zwischen
aufgeschichteten Steinen schräg in die Erde und in einen
düsteren Stollen führt.
Ich sehe unruhig flackerndes Licht und frage mich, wie das in
diese ausgestorbene Gegend kommt.
Neugierig gehe ich weiter und finde eine riesige, quadratische
Grabkammer, die mit leuchtenden Symbolen bemalt ist.
Es sind die Zeichen und Symbole, die unruhig flackern, als
bestünden sie aus offenem Feuer.
Mitten im Raum steht jemand. Hoch aufgerichtet.
Im ersten Moment glaube ich, einen Menschen vor mir zu sehen. Aber
dann erkenne ich, daß nur der Kopf als menschlich zu bezeichnen
ist.
Ein bleiches, verhärmtes Gesicht, schmale Lippen,
tiefliegende Augen, die wie Kohlen glühen.
Und das Erschreckende: der Kopf sitzt auf einem riesigen
Skorpionleib.
Ich stehe da wie erstarrt, fange an zu schreien, und meine Schreie
hallen durch die verschachtelten, düsteren Gewölbe und
Grabkammern… Meine eigenen Schreie kreisen mich ein und steigern
meine Furcht. Ich will davonrennen, aber es geht nicht. Wie
angewurzelt stehe ich auf der Stelle. Und dann kommt der Skorpion mit
dem Menschenkopf auf mich zu.
Mein Entsetzen ist unbeschreiblich, das Blut in meinen Adern
scheint gefroren…
Ich spüre tödliche Gefahr.
Dann ist die dunkle Gestalt vor mir, und ich erkenne, daß
alles offenbar nur Einbildung gewesen sein muß.
Das ist gar kein Mensch mit dem Körper eines Skorpions,
sondern ein richtiger Mensch mit einem ganz normalen Körper, mit
Armen und Beinen. Was habe ich mir in dem gespenstischen Zwielicht
und der beängstigenden Umgebung bloß eingebildet?
Diesen Mann kenne ich. Er kommt auf mich zu, streckt die
Hände nach mir aus und fragt mich, warum ich so entsetzt
dreinblicken wurde?
Die Angst und das Grauen hätten in diesem Augenblick
eigentlich vorbei sein müssen, aber leider waren sie es
nicht.
Ich fühlte es noch immer: die Gefahr ist nicht gebannt!
Und mein Gefühl trügt mich nicht.
Der vor mir Stehende sieht plötzlich totenbleich aus, aber
zwischen seinen Augen bewegt sich ein Schatten. Der Schatten eines
Skorpions. Er kommt praktisch aus der Stirn heraus, durchbricht
sie… und fällt dann zu Boden.
Der Mann hat ein Loch im Kopf, steht da wie eine Statue, und ich
erwache schweißgebadet… Alles andere wissen Sie schon. Am
gleichen Morgen findet man den Mann, den ich im Traum sah – tot
in seiner Wohnung…«
Die letzten Worte, so kam es Björn Hellmark vor, waren leise
und zaghafter gesprochen worden, als fehle Madame Mizu mit einem Mal
die Kraft, laut und deutlich zu sprechen.
Sie bewegte die Lippen noch immer.
Aber – dann war sie stumm wie ein Fisch, und an Björns
Gehör drang kein einziger Laut!
Mit Madame Mizu stimmte etwas’ nicht.
Björn Hellmark wollte aufspringen, als er merkte, daß
nicht sein Gegenüber es war, die sich verändert hatte,
sondern er selbst.
Er spürte seinen Körper nicht mehr, war völlig taub
und gefühllos und konnte überhaupt nicht mehr
reagieren.
Der Reiswein!
Er hatte etwas enthalten, war sein letzter Gedanke.
Carminia!
Björn konnte sie nicht mehr sehen, weil alles schwarz vor
seinen Augen wurde und er wie ein Stein vom Kissen kippte…
*
Die Freundlichkeit, mit der sie aufgetreten war, wich
hämischem Grinsen.
»Na also«, murmelte sie kalt und schraubte ihren
schweren Körper in die Höhe. »Irgendwann mußte
es doch wirken.«
Sie selbst hatte ebenfalls von dem präparierten Reiswein
getrunken, ohne daß ihr die giftige Substanz etwas anhaben
konnte. Sie hatte davor ein Gegenmittel genommen, so daß die
Wirkung neutralisiert wurde.
Die Chinesin starrte auf die beiden Personen, die reglos und in
tiefer Bewußtlosigkeit vor ihr lagen. Sie stieß
Björn mit dem Fuß kräftig in die Seite.
Der blonde Mann gab keinen Laut von sich.
Die Chinesin lachte grausam. »Eben warst du noch so lebendig,
hast soviel geredet, und so viel hast du wissen wollen. Und nun
– liegst du platt und leblos da wie ein Bettvorleger.«
Auch Carminia Brado tippte sie mit der Schuhspitze auf die gleiche
Weise an, als müsse sie sich vergewissern, daß auch bei
ihr wirklich keine Reaktion mehr erfolgte.
Der Blick der Restaurant-Inhaberin löste sich nicht von
Björn und Carminia.
Wie in einem fremden Bann starrte sie plötzlich auf die
Stelle zwischen den Augen der beiden bewußtlosen Menschen und
– sah etwas…
Genau in Stirnmitte zeigte sich bei beiden ein dunkler Schatten,
der deutlich sichtbar die Form eines Skorpions annahm.
Madame
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