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Macabros 124: Drudan, der Mysterienmacher

Macabros 124: Drudan, der Mysterienmacher

Titel: Macabros 124: Drudan, der Mysterienmacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Shocker
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kindliche Stimme.
    »Das Reich der Schatten hat seine eigenen Gesetze, und jeder
wird die treffen und sprechen können, die er zu sehen
wünscht. Vorausgesetzt – sie sind hier…«
    Carminia Brado nahm nicht mit ihren herkömmlichen,
erdgebundenen Sinnen wahr. Sie konnte praktisch »rundum«
sehen, und so entging ihr nicht die schattenhafte, lautlose Bewegung
in den diffusen Nebeln, die mehrschichtig übereinanderlagen.
    Wie es im Weltenraum kein »Oben« und »Unten«
gibt – so gab es hier in der Sphäre der Geister kein
»Hinten« und »Vorn«, kein »Oben« und
»Unten«.
    Sie konnte nur unterscheiden zwischen »Nah« und
»Fern«. Und das, was sie jetzt mit ihren geistigen Sinnen
wahrnahm, interpretierte sie eher in die Ferne.
    Dort stand ein kleiner Junge mit schwarzem Haar und rundem,
pausbäckigem Gesicht.
    Er war etwa acht Jahre alt und lachte sie an.
    Für Carminia Brado ging eine Etappe ihrer Vergangenheit,
ihrer Kindheit in den Straßen der Riesenstadt Rio de Janeiro
weiter.
    »Pedro!«
    Das war der Junge aus ihrer Straße. Er war nur acht Jahre
alt geworden.
    Sie hatte damals, als sie hörte, daß sie niemals mehr
mit Pedro spielen könne, mit vielen Fragen reagiert. Pedro war
plötzlich sehr krank geworden, hatte Fieber bekommen und war
dann in tiefen Schlaf gefallen, aus dem er nicht mehr erwachte.
    »Pedro! Wie kommst du hierher?«
    Ihre Gedanken waren so schnell, und sie brauchte sie erst gar
nicht zu formulieren.
    Sie waren »drüben« bei Pedro, und schon war seine
Antwort wieder da.
    »Hier kann jeder sein, der nicht mehr auf der anderen Seite
zu finden ist«, klang es kindlich zurück, und sie fragte
sich, woran Pedro sie erkannt haben könnte? Schließlich
war sie eine reife Frau, kein siebenjähriges Mädchen
mehr…
    »Jeder erkennt jeden«, war die Erklärung in ihr,
noch ehe sie sich einer diesbezüglichen Frage bewußt
wurde. »Du hast dich nur äußerlich
verändert… nicht innerlich… Dein Wesen, Carminia…
Du hast hier keinen Körper wie ich keinen mehr habe. Das Wesen
der Person ist es, das ewig ist und ihn für den anderen hier
erkenntlich macht.«
    »Vater… Mutter…« Der Gedanke war so heftig,
daß sie selbst erschrak.
    Sie mußten doch auch hier sein. Sie waren beide
verhältnismäßig jung gestorben.
    »Komm’ zu mir, Pedro!« bat sie lautlos.
    »Das kann ich nicht.«
    »Warum nicht?«
    »Wo du bist… ist nicht meine Ebene. Du bist
freier…, du bist anders als alle, denen man sonst begegnet…
du gehörst eigentlich nicht hierher…«
    Er erkannte es richtig.
    Sie sollte bei Pedro sein, und schon war sie dort, ohne daß
ihr eine Bewegung weiter in die Tiefe und die Ungewißheit des
Schattenreichs bewußt wurde.
    Sie wußte, daß sie lächelte, und Pedro erwiderte
mit strahlendem Kindergesicht dieses Lächeln, und es war
für Carminia Brado ein Augenblick unbeschreiblicher Wehmut und
Glücks zugleich.
    Sie war eine erwachsene Frau, und doch hielt sie noch immer die
einst verlorene Lieblingspuppe umklammert und ließ sie nicht
mehr los.
    Maria hatte zu weinen aufgehört Sie lag völlig reglos in
ihrer Hand, wie es für eine Puppe richtig war.
    Carminias aufnahmebereiter, klarer Geist nahm viele bekannte
Einflüsse wahr.
    Und dann kamen sie aus der schleierartig durchwobenen Umgebung
auch auf sie zu: Schattenhafte Gestalten, deren Konturen deutlicher
wurden.
    Ganz links eine Frau… zierlich… freundlich…
schlank… sie sah Carminia täuschend ähnlich und wirkte
kaum älter als sie.
    »Mutter?«
    Der Zauber des Augenblicks nahm sie ganz gefangen, und sie fand in
diesen Sekunden bestätigt, daß es ein Wiedersehen mit den
Toten gab.
    Ihre Familie!
    Das waren viele…
    Hechts neben ihrer Mutter – der Vater… groß und
stark, wie sie ihn in Erinnerung hatte.
    Die Großeltern… Sie erschienen zwischen ihrem Vater und
ihrer Mutter… deren Brüder und Schwestern, Menschen, die
sie oft nur noch von Bildern her kannte und denen sie nie im Leben
begegnet war.
    »Hallo, Carminia!«
    Der Vater winkte ihr zu, und die anderen folgten seinem
Beispiel.
    Es waren schätzungsweise zwanzig bis fünfundzwanzig
Menschen, alte und junge, die in einer weit auseinandergezogenen
Linie auf sie zukamen.
    Carminia hatte das Gefühl, auf einer breiten, einsamen und
von Nebeln umwogten Straße zu stehen, auf der ihr alle diese
Menschen lautlos entgegentraten.
    Sie blieben dicht beisammen und bildeten eine Kette, Körper
an Körper, ohne sich an den Händen zu fassen.
    Viele vertraute

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