MacBest
losreiten und Leute erhängen lassen können; unter solchen Umständen kam es zu der kreativen Anspannung, die eine richtige Entwicklung der Staatsgeschäfte ermöglichte. Im Tiefland, auf den Ebenen – wenn man dort irgendwen trat, so trat er zurück. Aber hier oben in den Bergen … Wenn man hier jemandem einen energischen Tritt geben wollte, so wich der Betreffende beiseite und wartete geduldig darauf, daß einem das Bein abfiel. Wie sollte ein König, der über derartige Untertanen regierte, in die Geschichte eingehen? Man konnte sie ebensowenig unterdrücken wie eine Matratze.
Lord Felmet hatte die Steuern erhöht und einige Dörfer aus prinzipiellen Gründen niedergebrannt, damit alle wußten, woran sie mit ihm waren. Aber die erhofften Reaktionen blieben aus.
Und dann die Hexen. Sie ließen ihn nicht zur Ruhe kommen.
»Narr!«
Der Hofnarr hatte hinter dem Thron gedöst und erwachte entsetzt.
»Ja!«
»Komm her!«
Der Narr klirrte und läutete unglücklich über den Boden.
»Sag mir, Narr: Regnet es hier immer?«
»Meiner Treu, Onkel …«
»Beantworte nur meine Frage«, brachte Lord Felmet mit eiserner Geduld hervor.
»Manchmal hört es auf zu regnen, Herr«, erklärte der Narr. »Damit es schneien kann. Und manchmal haben wir richtig üppigen orgulumischen Nebel.«
»Orgulumisch?« wiederholte der Herzog gedankenverloren.
Der Narr versuchte vergeblich, seine Zunge unter Kontrolle zu halten. Erschrocken lauschte er der eigenen Stimme. »Dick beziehungsweise dicht, Herr. Aus dem latatianischen Orgulum, was Suppe oder Brühe bedeutet.«
Aber der Herzog achtete gar nicht auf ihn. Seiner Erfahrung nach lohnte es sich kaum, dem Geplapper von Untergebenen zuzuhören.
»Ich langweile mich, Narr.«
»Dann möchte ich dich unterhalten, mein Lord, mit fröhlichen Scherzen und erbaulichen Witzen.«
»Versuch’s.«
Der Hofnarr befeuchtete sich die Lippen. Diese Antwort überraschte ihn. Verence hatte sich damit zufriedengegeben, ihn zu treten oder eine Flasche nach ihm zu werfen. Ein wahrer König.
»Ich warte. Bring mich zum Lachen!«
Dem Narren blieb keine andere Wahl.
»Nun, Gebieter«, begann er mit bebender Stimme, »warum gilt eine mit Warmbier gefüllte Pferdetränke als Bruder einer Talgkerze in der Nacht?«
Lord Felmet runzelte die Stirn. Der Narr hielt es für besser, nicht zu warten.
»Fürwahr, eine Talgkerze mag schmierig sein, doch eine mit Warmbier gefüllte Pferdetränke macht dick«, fügte er hinzu. Weil es zum Witz gehörte, berührte er Lord Felmets Bauch mit dem Ballon, der an seinem Stab befestigt war, und gleichzeitig zupfte er an den Saiten der Mandoline.
Der Zeigefinger des Herzogs trommelte auf die Armlehne des Throns.
»Ach?« erwiderte er. »Und weiter?«
»Das, äh, wäre eigentlich alles«, sagte der Narr. Und: »Mein Großvater hielt diesen Witz für einen seiner besten.«
»Wahrscheinlich hat er ihn anders erzählt«, brummte Lord Felmet. Er stand auf. »Ruf meine Jagdreiter! Wir verschaffen uns ein wenig Bewegung. Und du kommst mit.«
»Ich kann nicht reiten, mein Lord.«
Der Herzog lächelte zum erstenmal an diesem Morgen.
»Prächtig!« sagte er. »Dann geben wir dir eben ein Pferd, das man nicht reiten kann. Ha, ha.«
Er sah auf die Verbände hinab. Und anschließend, dachte er, leihe ich mir eine Feile vom Waffenschmied aus.
Ein Jahr verstrich. Die Tage folgten geduldig aufeinander. Als das Multiversum entstand, hatten sie versucht, alle gleichzeitig zu vergehen, doch das klappte nicht.
Tomjon saß unter Hwels wackligem Tisch und beobachtete seinen Vater, der auf und ab ging, mit einem Arm winkte und sprach. Vitoller winkte immer mit den Armen, während er redete. Wenn man ihm die Hände auf den Rücken gebunden hätte, wäre er stumm gewesen.
»Na schön«, sagte er. »Was ist mit Des Königs Bräute?«
»Haben wir schon im letzten Jahr gebracht«, antwortete Hwel.
»In Ordnung. Dann führen wir Mallo, Tyrann von Klatsch auf.« Vitollers Kehlkopf schaltete in einen anderen Gang, und seine Stimme gewann einen volltönenden Klang, der jedes Fenster an einem durchschnittlich großen Dorfplatz erzittern lassen konnte. »Mit Blut bin ich gekommen, und mit Blut werde ich herrschen. Auf daß niemand behaupten könnet, das Blut …«
»Diese Vorstellung fand vor zwei Jahren statt«, sagte Hwel ruhig. »Wie dem auch sei: Die Leute haben genug von Königen. Sie wollen auch mal lachen.«
»Von meinen Königen haben sie gewiß nicht genug«, entgegnete
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