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MacBest

Titel: MacBest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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Lordschaft taumelte aus dem Bett und packte ihn am Wams.
    »Was ist los?« zischte er. »Ein Erdbeben?«
    »Die sind hier recht selten, mein Lord«, erwiderte der Narr. Er wurde zur Seite gestoßen, als ein Sofa über den Teppich wackelte.
    Lord Felmet eilte zum Fenster und blickte über den Wald. Der Mondschein tropfte auf weiße Baumwipfel, die sich in völlig unbewegter Luft von einer Seite zur anderen neigten.
    Ein Putzfladen fiel herunter. Der Herzog wirbelte um die eigene Achse, und diesmal griff er so fest zu, daß die Füße des Narren den Bodenkontakt verloren.
    Zu dem Luxus, auf den Lord Felmet verzichtete, gehörte auch die Unwissenheit. Er legte großen Wert darauf, ständig zu wissen, was passierte. Die angenehmen Ungewißheiten des Lebens übten keinen Reiz auf ihn aus.
    »Die Hexen stecken dahinter, nicht wahr?« knurrte er. Seine linke Wange begann wie ein Fisch auf dem trocknen zu zucken. »Sie sind dort draußen, stimmt’s? Sie richten ihren verderblichen Bann auf das Schloß, habe ich recht?«
    »Meiner Treu, Onkel …«, begann der Narr.
    »Sie regieren dieses Land, oder?«
    »Nein, mein Lord, sie haben nie …«
    »Wer hat dich gefragt?«
    Der Narr zitterte genau konträr zum Schloß, und dadurch schien nur er völlig stillzustehen.
    »Äh, du, mein Lord«, erwiderte er hilflos.
    »Willst du mir etwa widersprechen?«
    »Nein, mein Lord!«
    »Dachte ich mir. Du bist mit ihnen verbündet, nicht wahr?«
    »Mein Lord!« entfuhr es dem Hofnarren schockiert.
    »Alle stehen mit ihnen im Bunde!« fauchte der Herzog. »Euer ganzer Haufen! Ihr alle seid Rädelsführer!«
    Er schleuderte den Narren beiseite, stieß das große Fenster auf und betrat den Balkon. Wütend betrachtete er das schlafende Königreich.
    »Hört ihr mich!« rief er. »Ich bin der König!«
    Das Zittern verblüffte den Herzog, indem es abrupt aufhörte. Nach einer Weile faßte sich Lord Felmet wieder und klopfte Mörtelstaub vom Nachthemd.
    »Na bitte«, brummte er.
    Aber dies war noch schlimmer. Jetzt hörte der Wald zu. Die Worte Seiner Lordschaft verschwanden in einem umfassenden Vakuum aus Stille.
    Irgend etwas lauerte dort draußen. Er spürte es deutlich. Es war stark genug, um das Schloß durchzuschütteln, und jetzt beobachtete es ihn und lauschte.
    Der Herzog wich vorsichtig zurück und tastete nach dem Fensterriegel. Behutsam drückte er die beiden Flügel zu und schloß die Vorhänge.
    »Ich bin der König«, wiederholte er leise und sah den Narren an, der daraufhin den Eindruck gewann, daß Lord Felmet etwas von ihm erwartete.
    Er ist mein Herr und Lord, dachte er. Ich habe sein Salz gegessen oder wie das heißt. In der Gildenschule hat man mich immer wieder darauf hingewiesen, daß ein Narr seinem Herrn bis zum Ende treu sein muß, auch nachdem ihn alle anderen verlassen haben. Es spielt überhaupt keine Rolle, was ich davon halte. Jeder Monarch braucht einen Narren. Es kommt nur auf Ergebenheit an. Alles andere ist nebensächlich. Ich muß ihm treu bleiben – auch wenn er auf dem besten Weg ist, endgültig überzuschnappen. Ich bin sein Narr, bis einer von uns stirbt.
    Voller Entsetzen nahm er zur Kenntnis, daß der Herzog weinte.
    Der Narr griff in seinen Ärmel und holte ein ziemlich fleckiges, rotgelbes und mit kleinen Glocken besticktes Taschentuch hervor. Lord Felmet nahm es mit großer Dankbarkeit entgegen und putzte sich die Nase. Dann hielt er das Tuch ausgestreckt und beobachtete es mit furchterfülltem Mißtrauen.
    »Sehe ich hier vielleicht einen Dolch?« murmelte er.
    »Äh, nein, mein Lord. Weißt du, es handelt sich um ein Taschentuch.
    Man kann den Unterschied feststellen, wenn man genau hinsieht. Es hat nicht so viele scharfe Kanten.«
    »Guter Narr«, sagte der Herzog gedankenverloren.
    Völlig ausgeklinkt, dachte der Hofnarr. Bei ihm sitzen alle Schrauben locker. Er ist geistig so verdreht, daß man sein Bewußtsein benutzen könnte, um die Korken aus Weinflaschen zu ziehen.
    »Knie neben mir nieder, Narr!«
    Der Hofnarr gehorchte. Lord Felmet legte ihm eine von schmutzigen Verbänden umhüllte Hand auf die Schulter.
    »Bist du mir treu ergeben?« fragte er. »Kann ich dir vertrauen?«
    »Ich habe geschworen, meinem Lord bis zum Tod zu folgen«, antwortete der Narr heiser.
    Der Herzog schob ein vom Wahn gezeichnetes Gesicht an die Miene des Narren heran, der in blutunterlaufene Augen blickte.
    »Ich wollte es nicht«, hauchte Lord Felmet in einem verschwörerischen Tonfall. »Man hat mich gezwungen.

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