MacBest
bewegte es sich dabei nicht auf eine Weise, die Spezialeffekte wie flackernden Himmel oder Hochgeschwindigkeitsphotographie erforderte. Es raste auch nicht durch die Zeit, sondern glitt um sie herum, was viel eleganter und leichter ist. Außerdem braucht man dazu kein Laboratorium zu finden, von dem aus man einen Laden sehen kann, in dessen Schaufenster sechzig Jahre lang die gleiche Puppe steht – ein Unterfangen, das traditionsgemäß besonders zeitaufwendig und kostspielig ist.
Der Kuß dauerte mehr als fünfzehn Jahre. So etwas schaffen nicht einmal Frösche.
Der Narr wich mit trüben Augen zurück, und Verblüffung zeigte sich in seinen Zügen.
»Hast du gespürt, wie sich die Welt bewegt hat?« fragte er.
Magrat bückte über die Schulter und beobachtete den Wald.
»Ich glaube, sie hat es tatsächlich fertiggebracht«, erwiderte sie.
»Was meinst du?«
Die junge Hexe zögerte. »Oh. Nichts. Überhaupt nichts.«
»Sollen wir es noch einmal versuchen? Offenbar hat es beim erstenmal nicht ganz geklappt.«
Magrat nickte.
Diesmal dauerte der Kuß nur fünfzehn Sekunden. Es schien länger zu sein.
Eine Erschütterung erfaßte das Schloß und ließ Lord Felmets Frühstückstablett erzittern, auf dem ein Teller mit Haferschleim stand, der – zur großen Erleichterung des Herzogs – nicht zu salzig schmeckte.
Auch Nanny Oggs Haus erzitterte; dort drängten sich die Geister wie eine Rugbymannschaft in einer Telefonzelle.
Das Beben schüttelte alle Hühnerställe im Königreich, und mehrere Hände lockerten ihren Griff. Zweiunddreißig junge, rot angelaufene Hähne holten tief Luft und krähten aus vollem Hals, aber es war bereits zu spät, zu spät …
»Bestimmt hast du irgend etwas ausgeheckt«, sagte Oma Wetterwachs.
»Möchtest du noch eine Tasse Tee?« erwiderte Nanny liebenswürdig.
»Du willst doch nichts hineinschütten, oder?« fragte Oma scharf. »Es liegt am Hineingeschütteten von gestern abend. Andernfalls wäre ich nicht auf eine solche Idee gekommen. Du solltest dich schämen.«
»Die Schwarze Aliss hat nie so etwas geleistet«, sagte Nanny aufmunternd. »Ich meine, bei ihr waren’s hundert Jahre, in Ordnung, aber sie bewegte nur ein Schloß. Ich schätze, jeder kann ein Schloß bewegen.«
Dünne Falten fraßen sich in Oma Wetterwachs’ Stirn.
»Und sie hat es von Unkraut überwuchern lassen«, fügte sie überkorrekt hinzu.
»In der Tat.«
»Gut gemacht«, lobte König Verence eifrig. »Wir alle halten es für eine ausgezeichnete Leistung. Da wir uns in der ätherischen Sphäre befinden, hatten wir eine Art Logenplatz.«
»Danke, Euer Majestät.« Nanny Ogg drehte sich um und beobachtete die vielen Geister hinter dem verstorbenen König. Ihnen fehlte das Privileg, am Tisch Platz zu nehmen beziehungsweise dicht über den Stühlen zu schweben.
»Aber die anderen sollten jetzt endlich verschwinden«, sagte sie. »Ab mit euch nach draußen! Bis auf die beiden Mädchen«, fügte Nanny hinzu. »Sie können bleiben. Arme kleine Würmchen!«
»Weißt du, es fühlt sich einfach zu gut an, nicht mehr im Schloß zu sein«, erklärte Verence.
Oma Wetterwachs gähnte.
»Wie dem auch sei …«, brummte sie. »Jetzt müssen wir den Jungen finden. Das ist der nächste Schritt.«
»Wir beginnen sofort nach dem Essen mit der Suche.«
»Essen?«
»Es gibt gebratene Hähnchen«, sagte Nanny. »Und du bist müde. Außerdem: Eine gründliche Suche nimmt sicher viel Zeit in Anspruch.«
»Er ist in Ankh-Morpork«, stellte Oma Wetterwachs fest. »Daran besteht überhaupt kein Zweifel. Früher oder später treibt es jeden zur Stadt. Wir halten dort nach ihm Ausschau. Man braucht nicht nach Menschen zu suchen, wenn das Schicksal im Spiel ist. Man wartet einfach in Ankh-Morpork auf sie.«
Nannys Miene erhellte sich. »Unsere Karen hat dort einen Wirt geheiratet. Ich habe ihr Kind noch nicht gesehen. Wir hätten dort freie Kost und Logis und alles.«
»Es ist nicht nötig, daß wir Lancre verlassen«, entgegnete Oma. »Es kommt nur darauf an, daß der Sohn des Königs hierherkommt.« Eine kurze Pause. »Die Stadt würde uns bestimmt nicht gefallen. Sie ist wie eine – Abflußrinne.«
»Das sind fünfhundert Meilen!« brachte Magrat hervor. »Es wird eine Ewigkeit dauern, bis du zurückkehrst!«
»Mir bleibt keine Wahl«, antwortete der Narr. »Der Herzog hat mir einen Sonderauftrag gegeben. Er vertraut mir.«
»Ha! Du sollst noch mehr Söldner holen, wie?«
»Nein. Keineswegs.
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