Mach doch - Roman
Unvoreingenommenheit und positivem Denken. Lauren schnaubte entnervt. Wie hatte sie nur so rasch die Kontrolle über ihr Leben verlieren können?
Als sie ihre Designs an Galliano verkauft hatte, war ihr klar gewesen, dass ihr Berufsleben bis zur Modenschau in Paris – und darüber hinaus – auf Eis gelegt
war. Perfektes Timing eigentlich, denn sie benötigte die Zeit, um das Haus ihrer Großmutter instand zu setzen und zu verkaufen. Sie hatte allerdings nicht damit gerechnet, dass sich Jason Corwin gleich einem Wirbelsturm in ihr Leben drängen und an ihren alten Wunden kratzen würde. Einige dieser Wunden hatte er ihr vor zehn Jahren zugefügt, andere verdankte sie ihren Eltern und ihrer Schwester. Sie hatte ihn auf dem Herbstfest angesprochen, weil sie sich ein wenig amüsieren wollte. Dass es in einem solchen Gefühlschaos enden würde, damit hatte sie nicht gerechnet. Wie hätte sie auch ahnen sollen, dass sie noch immer so viel für ihn empfinden würde?
Zugegeben, sie hatte ihn gestern Nacht absichtlich dazu gebracht, diese Dinge über ihre Schwester zu sagen. Ihr war jede Ausrede recht gewesen, um ihn von sich zu stoßen, ehe sie von ihm verlassen wurde. Sie hatte im Affekt gehandelt und darüber völlig vergessen, dass sie dann allein mit der verdammten Mäuseplage fertigwerden musste, ohne nachts die tröstliche Gegenwart seines wärmenden Körpers neben sich zu spüren.
Sie hatte es trotzdem geschafft, Schlaf zu finden und sich frei im Haus zu bewegen, und das war der Beweis dafür, dass sie mutiger war, als sie selbst angenommen hatte. Trotzdem hatte ihr schon die Vorstellung, einer ihrer ungebetenen vierbeinigen Gäste könnte ihr über den Weg laufen, eine Gänsehaut verursacht. Trouble machte sich keine große Mühe, die Biester zu fangen. Lauren hatte ihre Angst zwar nicht überwunden,
aber sie hatte es zumindest geschafft, damit umzugehen.
Und dann hatte ihr Clara ihren kleinen Vortrag zum Thema positives Denken gehalten. Hatte sie aufgefordert, ihre geheimsten Wünsche ins Universum hinauszuschicken und darauf zu hoffen, dass sie in Erfüllung gingen. Nun, Lauren hatte sich Mühe gegeben, nach dem gestrigen Besuch bei ihrer Schwester keinen Groll mehr gegen Jason zu hegen, und wie hatte er es ihr gedankt?
Er hatte ihr im Grunde unterstellt, sie würde ihn anlügen, als sie ihm gesagt hatte, warum sie heute im Salon arbeiten wollte, und dann hatte er die Bombe platzen lassen. Es konnte doch nur ein Zufall sein, dass Brody Pittman im Gefängnis von Bricksville gearbeitet hatte! Ihre Schwester lag Tag für Tag in ihrem Bett oder saß auf einem Stuhl und starrte Löcher in die Luft. Wie hätte sie Pittman ansprechen sollen? Und selbst wenn sich die beiden auf mysteriöse Art und Weise kennengelernt hatten, was hatte das mit diesem Haus und dem Brand im Sicherungskasten zu tun?
Lauren massierte sich die Schläfen. Ihr Kopf dröhnte. Sie war nicht auf einen Streit mit Jason aus, und sie wollte die Missetaten ihrer Schwester auch nicht bagatellisieren. Sie versuchte lediglich, die Fakten nüchtern zu betrachten, doch sie kam beim besten Willen nicht zu demselben Schluss wie Jason, der darauf bestand, das Schlimmste von Beth anzunehmen, ohne auch nur einen einzigen Beweis zu haben.
Im Bett harmonierten sie wunderbar, aber wenn es um die wichtigen Dinge des Lebens ging, konnten sie sich nicht einmal darauf einigen, dass sie sich uneins waren.
Thomas und Hank Corwin saßen sich im hintersten Winkel eines Restaurants gegenüber, in einem Nachbarort, der gerade so weit von Stewart entfernt war, dass sie darauf hoffen konnten, unerkannt zu bleiben. Thomas kauerte in sich zusammengesunken an seinem Platz, mit dem Gesicht zur Wand, und schämte sich dafür, dass er sich von Hank dazu hatte überreden lassen, Edward und Clara bei ihrer Verabredung zu beobachten.
»Da kommen sie«, verkündete Hank und zog sich seine Red-Sox-Baseballkappe noch tiefer ins Gesicht. Dann setzte er sicherheitshalber auch noch eine Sonnenbrille auf.
Thomas schnaubte. »Die nützt doch nichts. Es ist Nacht, und du siehst aus wie ein Idiot.«
Hank schnaubte und bestellte bei einer Bedienung, die eben vorbeikam, noch ein Bier.
»Haben Sie auch noch einen Wunsch?«, fragte die Kellnerin, zu Thomas gewandt.
Dieser hob sein Glas Mineralwasser und verneinte. »Danke, ich bin versorgt; aber vielleicht können Sie dafür den da verschwinden lassen?« Er deutete mit dem Kopf auf seinen Bruder.
Hank beugte sich über den Tisch, die
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