Mach mal Feuer, Kleine - Roman
wie Eichhörnchen, die ihre Jungen zu den Mülltonnen bringen und zu den Rentnern, die sie mit Brotkrumen versorgen – anstatt ihnen zu zeigen, wie man auf die Bäume klettert und nach Nüssen sucht …
Anfangs schien das Ganze so einfach: die Wagen zu zertrümmern, den Kindern Sauberkeit beizubringen und den Erwachsenen die Wurzeln zu kappen, sie aus dem gewohnten Umfeld herauszureißen. Aber später, da saß unser junger Lehrer bereits der Kreiskommission vor, geriet die Maschinerie ins Stocken. Die Zeiten hatten sich geändert, man konnte nicht mehr so ohne Weiteres die Bauern umsiedeln oder die Zigeuner in einer Gegend festhalten. Die Lakatoš und die Giňas flüchteten aus dem kalten und feuchten Böhmerwald |164| in die Städte, nach Rokycany, Pilsen oder Most, und überall erzählten sie lauthals herum, dass ihre Kinder hungrig seien, überall streckten sie die Hand aus und riefen: Gebt Geld …
Erst heute wurde man sich allmählich dessen bewusst, dass es ein Verbrechen ist, einer Mutter das Kind zu nehmen oder ein Pferd zu erschießen oder einen Hund einzuschläfern, dass es das Gleiche ist, wie einen Menschen umzubringen. Selbst wenn man sich dabei an das Gesetz hält, bleibt es ein Verbrechen … Und deswegen stand der einst so eifrige junge Lehrer und ehemalige Schuldirektor nun in einem gewöhnlichen Kinderheim vor der Tafel, um auf seine alten Tage wieder dort anzufangen, wo alles begonnen hatte: bei den zertrümmerten Rädern der Zigeunerwagen, bei den erschossenen Pferden und den gestohlenen, umgepflanzten und seelisch gebrochenen Kindern …
|165| 13.
Im Winter tauchte Tante Ida im Heim auf.
Sie war von der Entziehungskur zurück und musste sich zum ersten Mal im Leben Arbeit suchen. Sie fand eine Stelle als Putzfrau in einem Bäckereibetrieb und machte die Büros und Umkleideräume sauber, aber fremder Dreck und feuchte Putzlappen waren nichts für sie, sie musste ständig weinen, und es war ihr egal, ob sie dabei im Sessel des Schichtmeisters saß oder auf der harten Bank im Umkleideraum oder auf einer bepinkelten Klobrille. Und abends, wenn sie nach Hause kam, wartete eine leere und kalte Wohnung auf sie … Also zog sie eines Tages ihre besten Kleider an, schminkte sich, so gut sie konnte, und machte sich auf den Weg zu ihren Kindern.
Die Kinder wichen ihren Küssen aus, sie blickten zur Seite und schwiegen. Sie konnten nicht so schnell vergessen, wie unangenehm es gewesen war, neben einer torkelnden Mama die Straße entlangzulaufen, wie beschämend sie die bekotzte Treppe fanden und die Typen, die in Mamas Bett lagen … Sie würden schon zurück nach Hause gehen, aber nicht zu der stinkenden Drecksmama, sondern zu der guten, lustigen Mama von früher, als Tante Majka noch bei ihnen war. Sogar Andrejko wollte diesmal im Heim bleiben, in der Schulbank vor ihm saß ein hübsches Mädchen namens Tereza, ihre Augen glichen Mandeln und ihre langen Haare trug sie zu einem Knoten hochgesteckt, er musste sie ständig anschauen, seine |166| Aufmerksamkeit galt ihr allein, und wenn die Lehrerinnen etwas von ihm wollten, mussten sie ihn an den Ohren ziehen …
Der Vater der kleinen Tereza saß im Knast, und ihre Mutter grämte sich ob ihres verpatzten Lebens und ließ ihre Wut an Tereza aus. Nur die Männer, die zur Mama zu Besuch kamen und ab und an auch in Terezas kleinem Zimmer vorbeischauten, waren nett zu ihr, auch wenn es nur einen kurzen Moment dauerte und manchmal ziemlich wehtat … Da fing Tereza an, ihr Zuhause zu meiden, und als ihr alles zu viel wurde, stopfte sie sich mit Mamas Pillen voll. Aus dem Krankenhaus brachte man sie gleich ins Heim, aber auch hier wollte sie nicht aufhören, ihre Mama lieb zu haben, zu Weihnachten strickte sie einen endlos langen rotweißen Schal für sie, sie strickte ununterbrochen, abends und auch tagsüber unter der Schulbank, die anderen Mädchen lachten sie aus, wegen des Schals und weil sie sich selbst Weihnachtskarten schrieb, wie es alte Menschen tun, damit sie wenigstens ein Mal im Jahr Post bekommen … Ähnlich wie Andrejko damals in Kostelec verbrachte auch Tereza ganze Tage am Fenster und sah zur Toreinfahrt und auf die Straße hinaus. Andrejko hätte ihr so gerne etwas gesagt, aber er wusste nicht, was, und als er einmal all seinen Mut zusammennahm und sie ansprach, hörte er sich mit einer fremden, gepressten Stimme reden, als steckte ihm ein Kloß im Hals … Ein anderes Mal fasste er nach ihrer Hand, aber
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