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Mach mal Feuer, Kleine - Roman

Mach mal Feuer, Kleine - Roman

Titel: Mach mal Feuer, Kleine - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Smaus
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Kleinholz an, zogen Steine aus den Brennnesseln heraus und bauten daraus einen Windschutz, schließlich errichteten sie im Bach einen kleinen Damm, damit sie dort Wasser schöpfen konnten. Zum Schutz gegen die nächtliche Kälte, die vom Boden aufstieg, sammelten sie Reisig im Wald, und von der Wiese, auf der sie die erste Nacht geschlafen hatten, holten sie etwas Heu, aus jedem
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zupften sie aber nur wenige Halme heraus, damit die Leute aus dem Dorf nichts merkten.
    Andrejko befürchtete, dass einer der Dörfler auftauchen und sie vertreiben könnte, zum Einkaufen gingen sie daher ins Nachbardorf auf der anderen Seite des Berges und verließen ihre Behausung meist erst am Abend. Vom Schuttabladeplatz schafften sie ein eisernes Bettgestell mit einem Gitterrost heran, einen angeschlagenen Stuhl und sogar einen gusseisernen Kanonenofen. Das Rohr führten sie nach draußen und banden es mit einem Draht fest, damit der Wind es nicht herunterwarf. Als sie den Ofen zum ersten Mal anheizten, standen sie im Halbkreis um ihn herum, genossen die Hitze, die er verströmte, wärmten sich die Hände, berührten |241| sich immer wieder mit den Fingerspitzen und fühlten sich wohl.
    Aber die Nächte wurden immer kälter und länger, und weil sie tagsüber wegen des Rauches darauf verzichteten, Feuer zu machen, mussten sie die regnerischen Tage im Bett verbringen, danach standen sie immer steif vor Kälte, mürrisch und völlig zerschlagen auf, saßen schweigend da, die Knie unters Kinn gezogen, und wärmten sich die Hände mit ihrem Atem. Ihr Erdloch glich dann einem Dampfkessel, der kurz davor war, zu explodieren. Anetka warf Andrejko vor, dass sie wie die Dachse lebten, dann rannte sie in den Regen hinaus und kam nass und verfroren zurück, und bis zum Abend hockte sie trotzig in der Ecke. Wenn es aber dunkel wurde und die Flammen im Ofen zu tanzen anfingen, versöhnten sie sich genauso schnell, wie sie sich am Morgen überworfen hatten, ihre klammen Finger wurden warm und lockerten sich, sie reichten eine Blechtasse mit heißem Tee herum, und zwischen ihren Händen empfingen sie die Hitze, die der glühende Ofen ausstrahlte.
    Die Tage wurden kürzer und ihr Geld knapper, und Andrejko blickte immer düsterer drein. Er wusste genau, dass er bald das letzte Kleingeld aus seiner Tasche kratzen würde, und dann würde es wirklich schlimm werden, der Winter stand vor der Tür und mit ihm der Hunger, aber nicht jener Hunger, von dem in der Zeitung oder im Fernsehen berichtet wurde, der Hunger, der irgendwo weit weg stattfand und nicht wehtat, sondern echter Hunger, der die Wölfe im Winter von den Bergen ins Tal trieb   … Während der frostigen Vollmondnächte bei Juraj hatte er sie häufig jaulen gehört, damals hatten die Männer vergiftete Fallen und Fangeisen ausgelegt, obwohl sich meistens nur streunende Hunde oder der wildernde Nachbar darin verfingen   … Andrejko hörte, |242| wie draußen der Regen aufs Dach trommelte und der Wind fauchend an den Bäumen rüttelte, und er stellte sich vor, wie sie eines Morgens im Schnee tiefe Spuren finden würden, ähnlich den Spuren eines großen Hundes und doch ein bisschen anders   …
    Als sie wieder einmal dicht gedrängt um den Ofen saßen, sagte Andrejko in die Stille hinein: Wir gehen zurück. Tibors Augen leuchteten auf, aber Anetka entgegnete, nein, sie gehe nirgendwohin zurück, es gehe ihnen doch gut hier, was Andrejko denn habe   … Tibor muss zur Schule, er ist schon zweimal sitzen geblieben, Andrejko ließ sich nicht beirren und fing plötzlich an zu schreien: Die schicken ihn in die Sonderschule, und dann ist er am Arsch! Er schüttelte Tibor, dass dem Kleinen die Tränen in die Augen schossen, aber Anetka regte sich auf: Auf der Straße landet er, du kennst doch Imro   … Andrejko wies sie zurecht, sie solle die Klappe halten, aber es tat ihm gleich leid, weil er selbst wusste, wie recht sie hatte, dass in Pilsen auf Tibor nur Schokoladetafeln warteten, die er unterm Pullover aus dem Laden rausschaffen musste, Autoradios, die in den Petrohrader Spelunken verscherbelt werden sollten, oder das Betteln um
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auf irgendeinem Parkplatz   … Er versuchte, Anetka zu besänftigen, aber sie zitterte vor Wut, und Tibor sah schweigend zu Boden. Andrejko redete ihr noch ein paar Tage lang ins Gewissen, aber sie stellte sich taub, die Jungs könnten ruhig nach Hause fahren, sie würde auch alleine hierbleiben. Eines Tages gingen sie zur Straße hinunter,

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