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Mach mal Feuer, Kleine - Roman

Mach mal Feuer, Kleine - Roman

Titel: Mach mal Feuer, Kleine - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Smaus
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Ida, Imro und Marián nicht zu ersticken.
     
    Wo wollen die denn bloß hin, murmelte die Tante abends, als auch ihre beiden älteren Söhne die Wohnung verließen und es um sie auf einmal ganz still wurde   … Unsereiner soll da bleiben, wo es ihm gut geht, und Imro versorgt sie doch alle gut, was wollen die mehr   … Durchgeknallt ist er, ein richtiger Knallkopf   … immer macht er alles anders, sie drohte in die Ferne, wo sie Andrejko vermutete   …
Savi phabaľin, ajsi phabaj,
der Apfel fällt nicht weit vom Stamm   … sein Alter, sie dachte an Onkel Fero, war auch so   …

|233| 18.
    Die Fahrt war lang. Bereits kurz nach der Abfahrt rutschten Anetka und Tibor unruhig auf ihren Sitzen hin und her, wann sind wir endlich da?, aber Andrejko hörte nicht zu, er sah aus dem Fenster und lächelte. Schon wieder brach er alle Brücken hinter sich ab, trennte sich vom Gestern, kehrte auf seinen Weg zurück. Unter seinen Füßen glitten die Bahnschwellen zurück, die Landschaft huschte an ihm vorüber und schrumpfte: die Kirche des heiligen Georg, das weite Berounka-Tal, die überflutete Eisenerzmine von Ejpovice, der spitze Kirchturm von Rokycany. Der Zug tuckerte an den Eisenhüttenwerken vorbei, an der Zementfabrik, eine Schicht Flugasche bedeckte das ganze Gelände, und unten im Tal glänzte der Fluss, an dünnen bunten Fäden hingen am anderen Ufer Kletterer wie Marionetten von den Kalkfelsen, inmitten der hügeligen Wälder tauchten die eckigen Türme von Karlštejn auf, und plötzlich fuhren sie an der Moldau entlang, der Zug ratterte am Vyšehrad-Felsen vorbei, durchquerte den Tunnel und fuhr schließlich in den Hauptbahnhof ein, am Fuße des Vítkov-Bergs, unter dem wachsamen Blick des Hussitenführers Jan Žižka mit seinem schweren Streitkolben.
    Die Bahnhofshalle war voller kahl geschorener Häftlinge, die nach der Amnestie entlassen worden waren. Unter der Lederjacke stand ihnen das Hemd bis zum Bauchnabel offen, |234| damit man ihre Brusttätowierung sah, jeder hatte etwas Gold um den Hals, im Ohr oder ums Handgelenk. Ein paar machten sich an Anetka heran, wollten wissen, für wie viel sie mitkommen würde   … Sie klammerte sich verschreckt an Andrejko und drängte ihn zum Bahnsteig zurück, aber die Knastbrüder wollten sie nicht in Ruhe lassen und folgten ihnen bis in den Zug hinein.
    Es dunkelte, am Fenster huschten die Lichter der Haltestellen und Bahnhöfe vorüber, und Andrejko überschlug, wie viele Stationen noch vor ihnen lagen, wie viele Berge sie noch durchqueren mussten, bevor sie in Humenné den Bahnhof verlassen und zum breiten, träge dahinfließenden Laborec gehen könnten   … Dann endlich waren sie da, sie saßen am Fluss, Fische glitten um ihre nackten Füße, und nachmittags stiegen sie in den Triebwagen nach Stakčín und beobachteten, wie am Horizont runde Berggipfel aus den Wolken hervortraten, weich wie Bierschaumkronen oder wie die Wolle von Juraj Bielčiks Schafen   …
    Ein asthmatisch keuchender Bus schlängelte sich an der Cirocha entlang und hielt unterhalb von Jalová. Eigentlich hätte er in Starina halten sollen, aber Starina gab es nicht mehr, ebenso wenig wie den Weg nach Ruské, Ostrožnice und Smolník. Vor dem Bus erhob sich ein mächtiger Schlagbaum, die Straße zweigte ab, und als der Bus sich endlich den Hang nach Gazdoráň hochschleppte, wirkte die Straße unter ihnen wie ein dreimal gebrochener Arm.
    Das Dorf stand noch an seinem alten Platz, unverändert waren auch die Wiesen unterhalb von Borsučiny und die Buchenwälder auf dem Čierťaž mit den handtuchschmalen Feldern, die sich weiter unten anschlossen und auf denen Kartoffeln, Mais und Kohl wuchsen, auch die kleinen Häuser mit den Gärten waren noch da. Als wäre Andrejko erst gestern |235| fortgegangen, als wäre hier die Zeit stehen geblieben   … Aber er war kein ausgemergelter, schmutziger und verwahrloster kleiner Junge mehr, der einen Stein hätte erweichen können. Die drei liefen durchs Dorf und sahen sich unsicher um, vor den Häusern rissen die Hunde an ihren Ketten; seit sie ihre Witterung aufgenommen hatten, bellten und winselten sie ohne Unterlass, die Dörfler lugten verstohlen durch ihre Gardinen, und irgendwo ertönte eine schrille Frauenstimme: Sperrt die Hühner weg, die Zigeuner sind da! Als hätte man ihm einen Eimer kaltes Wasser über den Kopf geschüttet! Andrejko sagte rasch irgendetwas, um die Kinder abzulenken, er hoffte, Anetka und Tibor hätten es nicht

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