Mach mich nicht an
Gefahr bleibt bestehen, bis der Täter oder die Täterin - wer immer es ist - gefasst wurde«, erinnerte sie Annabelle.
Letztere erhob sich und schüttelte den Kopf. »Bestimmt geht meine Fantasie mit mir durch. Ich mache mich auf den Weg.«
Mara erhob sich ebenfalls. »Bleib doch noch. Du wirkst so aufgeregt; lass uns noch ein wenig reden.«
»Nein, du musst dich ausruhen. Außerdem wollte Roy wieder zur Baustelle zurück. Ich kann ja dort mit ihm reden. Ich muss mir selbst ein besseres Bild machen, ehe ich mich deswegen an Vaughn wende. Außerdem überwachen Nick und Vaughn alles und jeden, also keine Angst«, sagte sie, um Mara, aber auch sich selbst zu beruhigen.
»Nun, ich bin hier, falls du Hilfe brauchen solltest.«
»Ach ja, könnte ich Boris hier lassen?«
»Klar.«
»Danke. Und mach dir wegen mir keine Sorgen.« Annabelle zwang sich zu einem Lächeln. »Es wird schon nichts passieren«, versicherte sie ihr, doch das flaue Gefühl in der Magengrube wurde immer stärker.
17
Vaughn rieb
sich mit den Fäusten die brennenden Augen. Er war jetzt seit vierundzwanzig Stunden durchgehend wach und so erschöpft, dass er sich nur mit Mühe konzentrieren konnte. Annabelle hatte das Büro vor Stunden verlassen, und doch konnte er kaum an etwas anderes denken als an sie. Er sollte sich eigentlich um die Finanzen kümmern. Um das Projekt zu retten, würde er Tausende Dollar aus der eigenen Tasche in das Gästehaus pulvern müssen. Aber seine Gedanken kreisten unaufhörlich um Annabelle.
Sie überraschte ihn praktisch täglich aufs Neue. Es hatte ihn schon verblüfft, dass sie heute Morgen hier aufgekreuzt war. Dass sie sein kommentarloses Verschwinden gestern Abend mit keiner Silbe erwähnt und auch sonst keinerlei Reaktionen darauf gezeigt hatte, sondern auch noch für ihn Lebensmittel einkaufen ging, das gab ihm den Rest. Er hatte es nicht übers Herz gebracht, ihr zu sagen, dass er zum Essen nicht nach Hause fahren würde. Er war fest entschlossen, im Gästehaus zu essen und zu schlafen, bis der Täter gefasst war. Nun, er konnte sich den Inhalt seines Kühlschrankes hierher liefern lassen. Und was Annabelle betraf...
Er rief sich in Erinnerung, dass er sich keine weiteren Ablenkungen mehr leisten konnte, wenn er verhindern wollte, dass er Bankrott ging und sich sein Traum buchstäblich in Rauch auflöste.
»Der Versicherungsfuzzi meint, wir werden genügend einstreichen, um den zerstörten Teil wieder aufbauen zu können«, ließ Nick verlauten, der eben das Büro betreten hatte.
Vaughn sah zu seinem Freund und Partner hoch.
»Das freut mich zu hören. Ich habe in der Zwischenzeit ein paar Aktien und Einlagenzertifikate verkauft und so Geld flüssig gemacht, damit wir über die Runden kommen, bis wir das Geld von der Versicherung bekommen.«
»Mhm, ich auch.«
Vaughn blinzelte verdattert. »Aber du hast doch bereits den vereinbarten Barbetrag beigesteuert. Ich werde nicht zulassen, dass du-«
»Sei so gut und halt die Luft an, ja?« Nick schob die Hände in die Hosentaschen. »Wir spielen vielleicht nicht immer in der gleichen Liga, aber es ist mein gutes Recht, meinem Partner in einer Krisensituation beizustehen. Das Gästehaus ist schließlich unsere gemeinsame Investition«, erinnerte er Vaughn.
Dieser nickte lediglich. Er wollte seinen Freund auf keinen Fall beleidigen. Außerdem hätte er vor Dankbarkeit ohnehin kein Wort herausgebracht.
Nick setzte sich an seinen Schreibtisch, und die beiden arbeiteten eine Weile schweigend vor sich hin. Irgendwann konnte Vaughn seine Gedanken nicht länger für sich behalten. »Was hast du denn damit gemeint, dass wir nicht immer in der gleichen Liga spielen?«
Nick starrte stur in die Unterlagen vor ihm auf dem Schreibtisch. »Vergiss es einfach.«
Vaughn überdachte kurz die vergangenen paar Wochen, von den Dingen, die Nick und Mara gesagt und getan hatten bis hin zu Annabelles anfänglichen Anschuldigungen Nick gegenüber. »Das war doch hoffentlich nicht dein Ernst, oder?« Es gab nicht viele Menschen, für die Vaughn Leib und Leben geben würde, aber Nick gehörte zu den wenigen ausgesuchten.
Nick warf den Kugelschreiber auf den Schreibtisch und blickte auf. »Verstehst du das nicht? Du bist eine lebende Legende. In den Augen der Frauen, in den Augen dieser Stadt bist du der Größte.«
Vaughn schnaubte verächtlich. Welche Ironie! Ausgerechnet er, der tagtäglich an seine Unzulänglichkeiten erinnert wurde, wenn er in den Spiegel sah! American
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