Mach mich nicht an
Eifersüchteleien?«
Joanne lachte laut auf. »Nie. Gelegentlich ein bisschen Imponiergehabe, wenn sie um die Gunst einer Frau wetteifern. Weißt du, Vaughn hat als Halbwüchsiger oft bei Nick zu Hause Zuflucht gesucht, wenn der Druck von seinen eigenen Eltern - zwei stadtbekannten elitären Snobs - wieder einmal zu groß wurde. Nick und seine Eltern waren praktisch Vaughns Ersatzfamilie.«
»Stört es Nick denn nicht, dass Vaughn noch ein klein wenig erfolgreicher war als er?«, wollte Annabelle wissen.
»Wenn, dann lässt er es sich jedenfalls nicht anmerken.« Joanne wischte mit einem feuchten Lappen den Tresen ab. »Vaughn ist eben ein richtiger Held; eine Legende, und das zu Recht. Aber für Nick stellt das kein Problem dar. Schließlich hat er ja auch ganz ordentlich Karriere gemacht.«
Annabelle verdaute diese Information. Joanne hatte ihre Sicht der Dinge glaubwürdig geschildert. Trotzdem fragte sie sich, ob Nick es zufrieden war, stets die Nummer zwei nach Brandon Vaughn zu sein, oder ob er seinem Freund dessen Erfolge insgeheim nicht doch missgönnte. Doch sie behielt ihre Zweifel für sich.
»Das freut mich zu hören«, sagte sie.
Joanne hatte sich eben nach dem Grund für Annabelles letzte Frage erkundigt, aber noch ehe Annabelle antworten konnte, betrat ein Trupp Arbeiter den Laden, sodass es ihr erspart blieb, sich etwas aus den Fingern zu saugen.
Joanne seufzte. »Tut mir Leid, Annabelle. Falls du noch länger in der Stadt bist, könnten wir uns ja mal auf einen Plausch verabreden, wenn ich frei habe.«
Annabelle nickte. »Gern.« Und das war durchaus ernst gemeint. Ihre Schwestern waren weit weg und Vaughn gab sich bislang nicht sonderlich gesprächig; da kam ihr dieses Angebot gerade recht.
Während die Arbeiter sich hinter ihr anstellten, jonglierte Annabelle mit der einen Hand ihren Hund und ihren Kaffee, mit der anderen angelte sie die Geldbörse aus der Tasche.
Aber Joanne winkte ab. »Lass nur, der geht auf mich. Hat mich gefreut, dich kennen zu lernen.« Sie schenkte Annabelle ein kurzes Lächeln, dann widmete sie sich den neuen Kunden.
»Danke!«
»Hallo, schöne Frau«, sagte da einer der Männer zu Annabelle. »Um fünf habe ich Feierabend. Wie wär‘s?«
Annabelle blickte an sich hinunter: Sie trug eine Jogginghose und nicht die Spur von Make-up. Entweder gab es in dieser Stadt keine einzige Singlefrau mehr oder der Typ war blind wie ein Maulwurf. Sie lehnte das Angebot dankend ab.
Der Kerl trat einen Schritt näher. »Ach, komm schon, du würdest dich bestimmt prächtig mit mir amüsieren«, drängte er und stieß sie mit der Hüfte an.
»Dafür sorgt Vaughn bereits«, fuhr Joanne dazwischen. »Und wenn der dich dabei erwischt, wie du in seinem Territorium jagst, dann kostet dich das deinen Job und wahrscheinlich ein paar Rippen obendrein. Also, geh brav nach Hause zu deiner Frau, Roy.« Joanne kicherte. Sie wusste offenbar, wen sie vor sich hatte.
Er grummelte. Die Kerle hinter ihm grinsten hämisch und ließen ein paar abschätzige Kommentare vom Stapel.
Roy musterte Annabelle verlegen. »Hättest auch gleich sagen können, dass du zu Vaughn gehörst«, meinte er jetzt. In seiner Stimme schwangen Bewunderung und Respekt mit. »Ich würde mich hüten, seine Flamme anzubaggern.«
»Ich bin nicht -«
Joanne tat, als wolle sie sich die Kehle aufschlitzen und bedeutete Annabelle damit unauffällig, zu schweigen, um künftig vor Roys Avancen gefeit zu sein.
Dann begann sie den Männern Kaffee auszuschenken, ohne nach ihren Wünschen zu fragen. Die Truppe gehörte unverkennbar zu ihren Stammkunden.
»Der gute Roy hat so seine Macken, aber über die sehen wir großzügig hinweg - er hat nämlich auch ein paar positive Eigenschaften. Er ist zum Beispiel ein ganz toller Vater, und er respektiert Vaughn«, erklärte Joanne.
»Alle respektieren Vaughn«, pflichtete Roy ihr bei, schwieg jedoch wohlweislich zu dem, was Joanne davor gesagt hatte.
Die anderen Männer stimmten ihm murmelnd zu. Wie es aussah, war Vaughn ein recht angesehener Bewohner der Stadt, eine Art Ehrenbürger.
»Er hat hier Arbeitsplätze geschaffen und außerdem dafür gesorgt, dass mein Junge sich durch die Schule beißt, damit er ein Sportstipendium kriegt und es einmal besser hat als ich.«
Annabelle nahm diesen Einblick in Vaughns Persönlichkeit durch die Augen der Stadtbewohner dankbar auf. Ihr Klient wurde hier als Mensch gesehen, nicht als Geschäftsmann. Und er genoss höchstes Ansehen. Das
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