Mach mich nicht an
euren Onkel hattet.«
»Allerdings.« Sie sprach ganz leise. »Aber eine Weile war ich nicht sicher, ob er uns aufnehmen würde. Ich fürchtete, man würde uns trennen und -« sie hickste in dem Versuch, ihre Emotionen herunterzuschlucken. »Wie dem auch sei, ich kann das Bedürfnis nach einem Zuhause gut nachvollziehen. Aber weißt du: Ein Zuhause und eine Familie sind immer noch zwei verschiedene Paar Schuhe.«
»Es kann nicht jeder die perfekten Eltern haben«, knurrte er missmutig.
»Wie gesagt, meine sind überhaupt gestorben. Ich will damit auf Folgendes hinaus: Du verstehst dich zwar mit den deinen aus welchen Gründen auch immer offenbar nicht, aber dafür fühlst du dich dieser Stadt verbunden, und zwar so sehr, dass du dir in deinem Gästehaus das Ersatz-Zuhause baust, das dieses Haus dir nie sein wird.«
Dass sie in ihm las wie in einem offenen Buch, bestürzte ihn noch mehr als der leidenschaftliche Kuss. »Und was willst du damit sagen?«, fragte er barsch.
»Ich werde deine emotionale Bindung zu Greenlawn auch den Leuten außerhalb der Stadt vor Augen führen. Die Menschen hier verehren dich bereits, aber ich möchte deinen Fanclub erweitern, deine potentielle Kundschaft vergrößern.« Sie beugte sich zu ihm vor. »Wenn die Menschen einen Blick auf den Mann erhaschen, der hinter dem Spitzensportler steckt, dann werden sie dir helfen wollen, genau wie du den Kids helfen willst.«
Sie drückte seine Hand etwas fester. Erst jetzt fiel ihm auf, dass sie sich noch immer berührten.
Endlich war es nicht nur körperlich, sondern auch auf geistiger Ebene zu einer leichten Annäherung gekommen. Er holte tief Luft. »Ich werde es mir überlegen.« Aber nur, weil sie so einleuchtend argumentiert hatte.
Trotzdem missfiel ihm die Vorstellung, seine persönlichen Beweggründe im Sinne geschickter PR in den Medien breitzutreten. Aber er war nicht dumm - wenn er das geplante Sommercamp in die Realität umsetzen wollte, dann brauchte er die finanziellen Mittel, und die kamen eben von den Gästen der Wintersaison. Um sie anzulocken, hatte er Annabelle schließlich engagiert.
Ihre Finger waren weiterhin ineinander verschlungen. Er sah ihr in die warmen, verständnisvollen blauen Augen, aus denen nun jeder Anflug von Geschäftstüchtigkeit verschwunden war. Wenn er jetzt seinem Impuls nachgab und sie küsste, konnte er sich nicht mehr nur auf ihren Sexappeal herausreden. Nicht, dass ihn das im Augenblick besonders störte.
Da klopfte es plötzlich an der Hintertür. Vaughn wandte sich um und spähte hinüber. Draußen stand eine vertraute Gestalt - einer seiner Arbeiter, der häufig unangemeldet vorbeischaute. »Was will denn der schon wieder?«
»Wer denn?«
Er machte eine Kopfbewegung in Richtung Hintertür. »Roy Murray, der Vorarbeiter meiner Elektriker.«
»Warum kommt er nicht zur Vordertür?«
Vaughn verdrehte die Augen. »Seiner Ansicht nach ist der Hintereingang den Freunden vorbehalten - und er hält uns für Freunde. Er ist lästig, aber harmlos.« Er erhob sich und öffnete die Tür.
Sein Vorarbeiter erwartete ihn in voller Montur - Blaumann, Werkzeuggürtel - und mit einem Grinsen im Gesicht. Sein Sohn lugte hinter seinem Rücken hervor.
»Hey, Roy, Todd. Was führt euch denn hierher?«
Roy trat in die Küche, gefolgt von Todd.
»Wir wollten nicht stören, Coach, aber mein Dad und ich waren gerade in der Nähe, und er wollte kurz vorbeischauen.«
»Kein Problem, Todd.« Vaughn streckte ihm die Hand hin. Er hatte den Handshake als Begrüßung beim Training eingeführt, um eine persönlichere Beziehung zu seinen Schützlingen aufzubauen.
Roy beobachtete die beiden. »Ich hoffe, es ist okay, dass wir vorbeigekommen sind - ich habe gehört, bei dir sei hinten im Garten die Beleuchtung kaputt und da wollte ich mal sehen, ob ich den Schaden beheben kann.«
Auch wenn er es nur gut meinte, konnte Roy einem mit seiner Art manchmal wirklich auf die Nerven gehen. Das änderte aber nichts an der Tatsache, dass er ein erstklassiger Elektriker war und Vaughn sich in Todd, der wie er in der Schule Probleme hatte, gelegentlich wiedererkannte.
»Woher weißt du das?«
»Ähm, von einem deiner Nachbarn.«
Das kam Vaughn verdächtig vor. »Ich habe keine Nachbarn. Das ist einer der Gründe, weshalb ich dieses Haus gekauft habe.«
»Mann, nun komm, Dad, lass uns gehen.«
»Aber nein - du weißt doch, ich freue mich immer über Besuch von dir.« Vaughn klopfte Todd auf den Rücken.
Roy lachte und
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