Mach mich nicht an
Außerdem empfand er eine gewisse Genugtuung, weil es zur Abwechslung Yank war, der sich vor Verlegenheit wand. Aber wenn Lola beschlossen hatte, ihrem Boss für den Lohn, den er ihr zahlte, etwas zu bieten - noch dazu jetzt, wo er ein bisschen Ablenkung gut gebrauchen konnte - dann war in Vaughns Augen nichts dagegen einzuwenden.
»Ach, ich habe den Eindruck, du wirst mit allem fertig, was das Leben so bringt, Yank«, sagte Vaughn, wobei er sich natürlich nicht nur auf Lola bezog, was der Alte mit einem dankbaren Nicken zur Kenntnis nahm.
»Mit allem, außer vielleicht mit einer zu allem entschlossenen Frau. Hab ich nicht Recht, Vaughn?« Annabelle lachte und erwartete zweifellos dieselbe Reaktion von ihm.
Sie wusste schließlich, wovon sie sprach - ihre eigene Entschlossenheit hatte sie schnurstracks in die Kiste geführt - nicht, dass er sich besonders dagegen gewehrt hätte.
Vaughn straffte die Schultern. »Yank wird sich ganz sicher nicht von Lola herumkommandieren lassen«, brummte er. Hoffentlich kapierte Annabelle, dass er damit nicht nur ihren Onkel, sondern auch sich selbst meinte.
»Ganz recht. Und deshalb werde ich hier bleiben, solange Annie in Greenlawn beschäftigt ist. Ich brauche dringend Erholung von meiner Assistentin, diesem Flittchen.«
»Du willst bleiben?« Annabelle konnte ihre Überraschung genauso wenig verbergen wie Vaughn. »Hier?«
Yank nickte und verschaffte seinem Gastgeber damit ohne es zu wissen einen plausiblen Grund, den Rückzug anzutreten. Einen Grund, der nicht einmal einer Erklärung bedurfte - Annabelle würde gewiss ganz von allein auf den Gedanken kommen, dass weitere Schäferstündchen ausgeschlossen waren, solange ihr Onkel unter demselben Dach schlief.
10
Etwas später
hatte Annabelle
die Gelegenheit, sich ungestört mit Mara in ihrem Büro zu unterhalten. Nick war mit dem Elektroingenieur unterwegs, um die Schäden an den Leitungen zu begutachten und festzustellen, wie lange die Reparaturen dauern würden, während Vaughn den ganzen Tag mit Meetings beschäftigt war. Annabelle wollte die Zeit nutzen, um mit Maras Unterstützung einige PR-Ideen umzusetzen.
Leider hatte Mara zunächst anderes im Sinn. »Wie ich höre, habt ihr unerwartet Besuch bekommen?«
Annabelle nickte. »Mein Onkel Yank. Er meint, er braucht ein wenig Erholung von der City.« Zu dumm nur, dass er ausgerechnet jetzt aufkreuzen musste, wo sie sich gerade erfolgreich an Vaughn herangemacht hatte!
Mara lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück und musterte Annabelle prüfend. Dabei huschte ein Lächeln über ihr Gesicht. »Damit macht er dir wohl einen fetten Strich durch die Rechnung, wie?«
Annabelle zwinkerte alarmiert. »Was willst du damit sagen?« Konnte es sein, dass Mara über sie und Vaughn Bescheid wusste? Nein, auf keinen Fall. Bis gestern Nacht war ja noch gar nichts passiert und sie hatten weder davor noch danach in der Öffentlichkeit Zärtlichkeiten ausgetauscht.
»Ach, komm schon! Gönn mir ein bisschen Tratsch und Klatsch. Ich merke doch, dass du auf ihn stehst. Und glaubst du wirklich, es fällt mir nicht auf, wie hungrig er dich die ganze Zeit aus seinen babyblauen Augen anstarrt?«
Annabelle lief feuerrot an. »Ist überhaupt nicht wahr! Ich steh nicht auf ihn, und er starrt mich auch nicht an.«
»Wie heißt es bei Shakespeare? Mich dünkt, die Lady protestiert zu viel«, erwiderte Mara lachend. »Joanne vom Cozy Cups hat mir erzählt, du hättest sie an deinem ersten Tag hier über Vaughn ausgequetscht.«
Annabelle wand sich innerlich. »Wäre doch möglich, dass ich mich damit nur ein wenig über die Lage informieren wollte, für PR-Zwecke.«
Mara schüttelte lachend den Kopf.
Annabelle seufzte. »Geheimnisse gibt es wohl keine, wie?« Sie hatte sich bereits damit abgefunden, Mara ihre Gefühle zu gestehen.
»Nicht in dieser Stadt, nein«, entgegnete diese. »War das jetzt eine Art Zugeständnis?«
Annabelle warf einen Blick über die Schulter, um sicherzugehen, dass die Bürotüre geschlossen war. »Okay, ich geb‘s zu: Vaughn und ich haben eine Affäre.«
Mara nickte bedächtig. »Gut, dass du dir keine dauerhafte Beziehung erwartest. Dazu ist der Kerl nämlich nicht fähig. Er ist genauso verschlossen wie Nick.«
Annabelle stand nicht der Sinn nach einer Diskussion über Vaughns Bereitschaft, Gefühle zu zeigen, zumal sie den Eindruck hatte, diesbezüglich einen kleinen Fortschritt gemacht zu haben. Sie zog es vor, über Nick zu reden. Sie beugte sich über den
Weitere Kostenlose Bücher