Mach sie fertig
durchgeführt worden waren. Einige nur fünfzehn Minuten lang. Andere mehrere Stunden. Die Polizeiermittler kauten denselben Mist wieder und wieder durch. Wann er an besagtem Abend bei Benjamin aufgekreuzt war, wo sie die DVD ausgeliehen hatten, wer den Film bezahlt hatte, ob er wusste, was Benjamin vorher am Abend gemacht hatte, was er zu den Zeugenaussagen seiner Mutter zu sagen hatte, wann er von Benjamin aus wieder nach Hause gegangen war, womit seine Mutter beschäftigt gewesen war, als er nach Hause kam. Und gestern schließlich: Sie begannen ihm Fragen zu Mats Strömberg und Roger Jonsson zu stellen. Sie waren ihm also auf der Spur.
Sie saßen in einem kleinen Vernehmungsraum, der auf demselben Korridor wie seine Zelle lag. Auf dem unverwüstlichen Linoleumboden klebte ein Aufkleber, der die Ausrichtung zur Kaaba in Mekka anzeigte – irgendwer durfte offensichtlich hier drinnen beten. Auf dem Tisch stand ein Haustelefon, das allerdings für ausgehende Telefonate gesperrt war. An der Wand hing ein Zettel: Achtung! Bitte nehmen Sie Kontakt zum Korridorpersonal auf, bevor Sie eine Person in den Korridor entlassen. Er konnte sich nicht gerade über zu geringe Überwachung beklagen. Seine Schlussfolgerung: Es war nicht leicht, aus dem Gefängnis von Kronoberg auszubrechen.
Heute hatte wieder eine Vernehmung stattgefunden, obwohl es nicht viel zu sagen gab. Er hatte nichts mit dem Mord an Claes Rantzell zu tun, so einfach war das.
Der Rechtsanwalt hatte sich einige Minuten vor Beginn der Vernehmung mit ihm zusammengesetzt.
»Ist Ihnen seit dem letzten Mal, als wir uns gesehen haben, irgendetwas eingefallen? Etwas, das Sie mit dem Vernehmungsleiter besprechen möchten?«
Niklas sagte, was er dachte: »Ich möchte nicht darüber reden, wie Claes meine Mutter und mich behandelt hat. Das geht die Bullen nichts an.«
Burtig entgegnete: »Dann rate ich Ihnen, durch die Nase zu atmen und den Mund zu schließen. Verstanden? Sie sind per Gesetz nicht verpflichtet, auf Fragen dieser Art zu antworten.«
Niklas begriff. Burtig war gut, aber würde das reichen?
Der Vernehmungsleiter Stig Ronander kam herein. Graues Haar und ein Spinnennetz aus Falten um die Augen herum. Der Kerl strahlte Ruhe und Erfahrung aus: entspanntes Auftreten, bedächtige Bewegungen. Vor allem aber hatte er einen Schalk im Nacken und einen Hang zu Humor, was dazu führte, dass die Vernehmungen hin und wieder von einem lauten Lachen unterbrochen wurden. Das war smart, verdammt smart.
Die andere Polizeitante hieß Ingrid Johansson. Sie war im selben Alter wie Ronander, aber stiller, eher beobachtend, auf der Hut. Sie kam mit einem Tablett mit Kaffee und Kuchenteilchen herein.
Niklas hatte Stunde um Stunde in seiner Zelle damit zugebracht, ihre Vernehmungsstrategie zu analysieren. Sie war bedeutend subtiler als seine und Collins Methoden in der Hitze, da unten im Sand. Ein Dolmetscher, ein Gewehrkolben, ein Stiefel: Das reichte oftmals aus, um genügend Informationen zu erhalten. Ronander/Johansson machten es genau andersherum: Freundlichkeitsattacken. Beherrscht und nachdenklich versuchten sie eine Kommunikation herzustellen, Vertrauen aufzubauen. Erzwangen Details, indem sie dieselbe Sache wieder und wieder fragten. Netter Bulle, böser Bulle – schien eigentlich der Vergangenheit anzugehören. Beide stanken förmlich nach Vertrauensseligkeit, Fürsorglichkeit. Doch Niklas durchschaute sie. Sie waren aalglatt.
Nach zehn Minuten Kaffeeschlürfen und Smalltalk kam die erste ernsthafte Frage. »Es ist doch nichts dabei,wenn sie uns schildern, wie Ihre Kindheit war, oder? Ihre Mutter hat es ja auch getan.«
»Kein Kommentar.«
»Warum wollen Sie das nicht kommentieren? Nun kommen Sie schon.«
Ronander lachte auf.
»Ich sagte, kein Kommentar.«
»Ja, aber Niklas, seien Sie doch ein bisschen zugänglicher. Wir sitzen doch nur hier und unterhalten uns. Woran erinnern Sie sich aus Ihrer Kindheit?«
Stille.
»Mochten Sie Sport?«
Stille.
»Haben Sie draußen gespielt?«
Stille.
»Haben Sie Bücher gelesen?«
Noch mehr Stille.
»Niklas, ich verstehe ja, dass es schwierig sein kann, darüber zu sprechen. Aber es kann sich auch lohnen, für Sie selbst.«
»Kein Kommentar, hab ich doch gesagt.«
»Ihre Mutter hat damals als Kassiererin gearbeitet, nicht wahr?«
Niklas zog mit dem Finger einen Strich durch die Krümel auf dem Tisch.
»Das ist privat.«
»Aber warum ist das privat? Sie hat uns ja selbst davon erzählt. Dann kann es ja
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