Mach sie fertig
Keiner scheint zu wissen, wo er wohnt. Er ist vorsichtig. Niemals allein draußen. Hat keinen Kontakt zu seiner Familie aufgenommen, jedenfalls nicht, dass wir es wüssten.«
Stefanovic ließ die Worte eine Weile einsickern. Dann flüsterte er beinahe: »Finde ihn.«
Oben im Ring schlugen sich die Riesen. Nach zwei Minuten: Peng bum. Der Schwede traf mit einer knallharten Geraden. Der Russe prallte gegen die Seile des Rings. Ståhl kam näher. Ergriff Akhramenkos Nacken. Drückte den Riesen nach unten. Verpasste ihm mit voller Kraft einen Stoß mit dem Knie. Im Kiefer des Russen knackte es. Der Gebissschutz flog raus. Für einen kurzen Augenblick: Stille in der Halle. Dann taumelte der Russe zu Boden.
Mahmuds Gedanken in absolutem Tumult. Zuallererst: Das Angebot der Jugos war in vielerlei Hinsicht ein leichtes Spiel. Einen Typen wie Wisam zu finden, war nicht gerade unmöglich, vorausgesetzt, er befand sich in Stockholm. Und: Der Kerl war ein Familienmensch. Er war aus seiner Gegend, ein Araber. Was sagte das über Mahmuds Anstand? Aber: Er brauchte das hier dringender denn je. Im Hinblick auf die Schulden bei Gürhan. Und um seine eigene Ehre zu retten.
Stefanovic stand auf. Der Typ hatte gerade Hunderttausend in den Sand gesetzt. Vielleicht gab es ja doch noch einen reinen Sport – die Jugos schienen offensichtlich nicht alles in dieser Stadt zu steuern. Mahmud warf einen kurzen Blick in sein Gesicht. Völlig ausdruckslos.
Stefanovic drehte sich zu ihm um.
»Ruf mich an, wenn du fertig nachgedacht hast. Vor Montag.«
Dann ging er.
8
Niklas hatte vierzig Minuten lang geduscht. Mama war auf der Arbeit, so dass es keine Rolle spielte: Er okkupierte das Badezimmer, solange er wollte.
Wie lang würde sie wohl noch bei ihm wohnen bleiben? Okay, klar, dass es mit einem Toten im Keller ziemlich unangenehm für sie war. Aber es hatte auch sein Gutes. Brachte sie möglicherweise zum Nachdenken, dazu, sich zu verändern.
Leider war Niklas selbst mit reingezogen worden. Etwas später am heutigen Tag würde er zur Vernehmung zur Polizei müssen. Die Gedanken wirbelten im Dampf unter dem Duschkopf nur so herum. Er fragte sich, was sie glaubten, aus ihm herauszukriegen. Wie sollte er mit allzu aufdringlichen Fragen umgehen? Es war eigenartig – woher wussten sie überhaupt, dass er bei seiner Mutter gewohnt hatte? Möglicherweise hatte irgendein Nachbar es ausgeplaudert, oder Mama hatte sich verplappert.
Verdammt – jetzt wurde es kompliziert. Er hatte eigentlich gedacht, dass er drum herumkommen würde. Es musste einer von Mamas Nachbarn gewesen sein. Ängstlich, schockiert, nervös. Hatte irgendwelche Dinge ausgespuckt, die überhaupt nichts mit der Sache zu tun hatten. Den Bullen wahrscheinlich erzählt, dass ein junger Mann bei ihr gewohnt hatte, vermutlich ihr Sohn. Er kam nur einfach nicht drauf, wer ihn je im Haus gesehen hatte.
Die Dusche war ziemlich versifft. Rostbrauner Dreck zwischen den Fliesen. Weiße Ablagerungen auf dem Duschschlauch, die wie vergammelte Zahncreme aussahen. Der Abfluss funktionierte kaum. Das Schwarzmakleraas ließ die Rohre wahrscheinlich nicht gerade oft reinigen. Ein Gedanke schoss Niklas durch den Kopf: Ohne Abwasserleitungen käme der zivilisierte Mensch nicht lange zurecht. Abflüsse bildeten die Voraussetzung dafür, dass alles sauber war. Ein verstopfter Abfluss in der Dusche, und das Dasein wurde kompliziert. Zu viel Klopapier in der Toilette oder Haare im Waschbecken, und man konnte das Badezimmer ganz schnell vergessen. Und die Küche erst – die Reste im Spülwasser flossen durch kleine Löcher in der Spüle ab, verschwanden für immer und ewig aus der Welt des bequemen Menschen. Ohne dass man darüber nachdenken musste, wohin sie gelangten; keiner kümmerte sich darum, was eigentlich mit all dem geschah, was nicht in den ordentlichen Haushalt gehörte: Haare, Zahnpastaspeichel, Essensreste, alte Milch, Fäkalien. Die Löcher waren der wichtigste Bestandteil des Komforts. Sie kaschierten die peinliche Ahnungslosigkeit des Bürgers der westlichen Länder von echtem Dreck. Eigentlich war es merkwürdig, dass niemals etwas durch die Löcher nach oben drang. Sich der Scheinsauberkeit aufdrängte. Die privaten Oberflächen des Heims überspülte. Aber Niklas wusste eins – er traute den Löchern nicht. Brauchte sie nicht. Hatte sich in bedeutend erbärmlicheren Verhältnissen, die sich ein lächerlicher Durchschnittsschwede nicht mal in seiner lebhaftesten Phantasie
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